Burgkapelle
Van Wikipedia, de gratis encyclopedie
Eine Burgkapelle ist ein Sakralbau, der auf einer Burg liegt oder zu ihr gehört. Das Gleiche gilt analog für Schlosskapelle und Schloss.
Funktion
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Prägung der mittelalterlichen Gesellschaft durch das Christentum erforderte auch für Burgbewohner den gewöhnlich täglichen, mindestens aber sonn- und feiertäglichen Besuch der Heiligen Messe. Anders als es das Klischee will, verfügte aber keineswegs jede Burg über eine eigene Kapelle. Die typischen Ministerialenburgen etwa, Turmhügelburg und Wohnturm, hatten oft keinen eigenen Sakralraum, da sie meist in oder neben einem Dorf und damit nahe der örtlichen Pfarrkirche gelegen waren. Auch verfügten sie über wenig Platz. Größere Burganlagen wie die Königspfalzen oder Bischofspfalzen hatten in der Regel eigene Kirchen oder Kapellen, um dem durchreisenden Herrn und seinem Hofstaat den Messbesuch zu ermöglichen. Auch die abgelegenen Höhenburgen des Hoch- und Spätmittelalters verfügten meist über eine Burgkapelle.
Die Grablegen des höheren Adels befanden sich allerdings meist in den von ihm gestifteten Eigenkirchen bzw. Eigenklöstern, und nur selten in den engen Burgkapellen. Dort konnten allerdings Gedenkmessen gelesen werden.[1] Manche beherbergten sogar Reliquien[2], aufwändig gestaltete erfüllten darüber hinaus repräsentative Zwecke und dienten etwa für Hochzeiten.[1]
Die religiöse Betreuung übernahm entweder ein eigens angestellter Diakon oder Priester, anderenfalls kam der Ortspfarrer bzw. ein Pater aus einem Kloster zur Messe auf die Burg.[1] Da im Mittelalter meist nur die Geistlichen lesen und schreiben konnten, verwendeten die Burgherren sie zugleich als Schreiber. Sofern sie auf der Burg lebten, verfügten sie oft über einen eigenen, beheizbaren Raum.[3] Da die Ordensritter neben der Messe auch Stundengebete abhielten, hatten Ordensburgen immer eigene Kirchen.[1]
Benennung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Burgkapellen trugen meist das Patrozinium eines Heiligen mit besonderer Verbindung zum Ritterstand, z. B. Sankt Georg und Gereon. Die Sankt-Markus-Burgkapelle zu Braubach gab der Burg ihren heutigen Namen – Marksburg. In Italien ist die Benennung der Burgen nach ihrem Patrozinium sehr verbreitet.
Architektur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Für die Kapellen kamen mehrere Standorte und bauliche Varianten in Frage. Viele Burgen begnügten sich vermutlich mit einem in einen anderen Raum eingebundenen Bereich. Gegebenenfalls schmückte ihn ein Heiligenbild oder -figur.[1] In den Kleinsten reichte der Platz gerade für die Burgherrschaften.[2] Etwas ausgefeilter fiel der Kapellenerker aus. War er an den Palassaal angebaut, konnte jener wie ein Kirchenschiff genutzt werden. Neben baulichen Zeugnissen (z. B. Burg Landsberg im Elsass) belegten Haushaltsinventare solche Mehrfachnutzungen. So berichtete ein Dokument von 1463, dass im Saal der Tomburg eine Truhe mit Haushaltstextilien und liturgischen Geräten stand.[1]
Zum Kapellenraum erfolgte der Zugang vom Wohnbau oder -saal aus. Ein Kapellenbau bildete ein eigenständiges Gebäude. Beides trat in der aufwändigsten Variante auf – den zweigeschossigen Doppel- oder mitunter mehrgeschossigen Kapellen (Beispiel für zweigeschossigen Raum: Burg Bösig, für dreigeschossigen Bau: Schloss Büdingen). Eine weitere Möglichkeit bot die Kombination von Kapellen- und Torbau, u. a. auf Schloss Rheda.[1] Diese Verbindung beschwor den göttlichen Schutz für die empfindlichste Stelle der Feste herauf.
Die kostspieligen Bauwerke blieben in der Regel Pfalzen, landesherrlichen und bischöflichen Burgen vorbehalten. Besonders teuer geriet es im Neuen Schloss Ingolstadt. Die meisten Burgkapellen zeichnete eine eher schlichte, einschiffige Gestalt aus. In Form und Einbindung wiesen Hoch- und Spätmittelalter keine Unterschiede auf. Während der Gotik entstanden fast ausschließlich Anbauten an einen Wohnflügel wie die Burgkapelle Ziesar. Zu dieser Zeit fehlten die Doppelkapellen im engeren Sinn. Nur vereinzelt wurden übereinanderliegende Etagen gebaut, die eine kleine Öffnung in der Zwischendecke verband. So ließ sich der Gottesdienst immerhin akustisch verfolgen. Die genannte Architekturepoche kennzeichnete Rippengewölbe, Maßwerkfenster und gotische Portale. Erhaltene Ausmalungen sind oft die einzig ursprünglichen Wandgemälde. Die bewegliche Ausstattung ging vielfach im Laufe der Zeit verloren.[1]
Kapellen im deutschsprachigen Raum
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Mehrere Burg- und Schlosskapellen verfügen über einen eigenen Wikipedia-Artikel oder Kapitel.
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Kurt Andermann, Gustav Pfeifer (Hrsg.): Burgkapellen. Formen – Funktionen – Fragen. Akten der internationalen Tagung Brixen, Bischöfliche Hofburg und Cusanus-Akademie 2. bis 5. September 2015 (= Südtiroler Landesarchiv (Hrsg.): Veröffentlichungen des Südtiroler Landesarchivs. Bd. 42). Universitätsverlag Wagner, Innsbruck 2018, ISBN 978-3-7030-0977-8.
- Tina Rudersdorf, Alexander Thon: Burgkapelle, Kapellenerker und Tragaltar. Überlegungen zu einer Typologie des Sakralbereichs mittelalterlicher Burgen im Rheinland. In: Jahrbuch für westdeutsche Landesgeschichte. Nr. 25. Landesarchivverwaltung Rheinland-Pfalz, Koblenz 1999, ISSN 0170-2025, S. 141–181.
- Barbara Schock-Werner (Hrsg.): Burg- und Schloßkapellen. Kolloquium des Wissenschaftlichen Beirats der Deutschen Burgenvereinigung (= Deutsche Burgenvereinigung (Hrsg.): Veröffentlichungen der Deutschen Burgenvereinigung. Reihe B / Schriften. Bd. 3). Konrad Theiss Verlag, Stuttgart 1995, ISBN 978-3-8062-1188-7.
- Ulrich Stevens: Burgkapellen. Andacht, Repräsentation und Wehrhaftigkeit im Mittelalter. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2003, ISBN 978-3-534-14284-2.
- Gerhard Streich: Burg und Kirche während des deutschen Mittelalters. Untersuchungen zur Sakraltopographie von Pfalzen, Burgen und Herrensitzen (= Konstanzer Arbeitskreis für mittelalterliche Geschichte (Hrsg.): Vorträge und Forschungen. Sonderband 29). 2 Bände. Jan Thorbecke Verlag, Sigmaringen 1984, ISBN 978-3-7995-6689-6.
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ a b c d e f g h Anja Grebe, G. Ulrich Großmann: Burgen. Geschichte – Kultur – Alltagsleben. Begleitband zur Dauerausstellung des Deutschen Burgenmuseums auf der Veste Heldburg. Palm Verlag, Berlin 2016, ISBN 978-3-944594-59-0, Leben auf der Burg. Wohnräume und Bewohner. Die Kapelle, S. 106–109.
- ↑ a b Karl Brunner: Kleine Kulturgeschichte des Mittelalters. Verlag C. H. Beck, München 2012, ISBN 978-3-406-63715-5, II Haus und Hof. Burg, S. 61–66, hier S. 63.
- ↑ Karl Brunner: Kleine Kulturgeschichte des Mittelalters. Verlag C. H. Beck, München 2012, ISBN 978-3-406-63715-5, II Haus und Hof. Leben auf der Burg, S. 68–70.