Thomas-Fermi-Modell

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Das Thomas-Fermi-Modell (TF; auch bekannt als statistische Theorie atomarer Systeme bzw. des Atoms[1] oder Thomas-Fermi-Theorie[2]) ist ein Atommodell, das die Atomhülle als ein Gas von Elektronen behandelt, welches durch das elektrostatische Feld des Atomkerns gebunden ist und den Zustand geringstmöglicher Energie einnimmt, wobei die durch die Elektronenwolke selbst bewirkte Abschirmung mit berücksichtigt wird. Es handelt sich um eine semiklassische Näherung, denn die Quantenmechanik wird nur insoweit berücksichtigt, als die Elektronen das Paulische Ausschließungsprinzip befolgen, also ein ideales Fermi-Gas bilden. Das Thomas-Fermi-Modell wurde unabhängig voneinander 1927 von Llewellyn Thomas[3] und Enrico Fermi[4] entwickelt und macht noch keinen Gebrauch von der 1926 von Erwin Schrödinger entwickelten quantenmechanischen Wellengleichung.[1] 1930 erweiterte Paul Dirac das Modell durch näherungsweise Einbeziehung der Austauschenergie zum TFD-Modell.[5]

Aufbau des Modells

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Befinden sich in einem Gebiet mit potentieller Energie Elektronen, die im Grundzustand dieses Vielteilchensystems alle möglichen Zustände mit Energien bis zu einer Obergrenze besetzen, dann ist nach der Theorie des Fermi-Gases die Teilchendichte in diesem Gebiet

Darin ist die reduzierte Planck-Konstante und die Elektronenmasse.

Die Elektronen (Ladung ) erzeugen ein elektrostatisches Potential , das über die Poisson-Gleichung mit der Ladungsdichte zusammenhängt:

Im gaußschen Einheitensystem lautet die Gleichung: .

Aus diesen beiden allgemeingültigen Zusammenhängen entsteht durch drei weitere Gleichungen ein Atommodell:

  1. Die gesamte potentielle Energie eines Elektrons im Atom mit der Kernladung ist: bzw. im Gauß-System: .
  2. Die höchste Energie der besetzten Zustände soll an jedem Ort im Atom dieselbe sein:
  3. Die Gesamtzahl der Elektronen wird durch die Normierung festgelegt: .

Die erste der drei Gleichungen bedeutet, dass für jedes Elektron das gleiche Potential gilt und dass weitere quantenmechanische Effekte, die auf Korrelationen zwischen den Elektronen beruhen wie z. B. die Austauschenergie, ignoriert werden. Die zweite Gleichung muss für den Grundzustand erfüllt sein, damit die Gesamtenergie nicht durch räumliche Verschiebung eines Elektrons noch abgesenkt werden könnte. ist das räumlich konstante chemische Potential. Damit wird die Fermi-Energie ortsabhängig, mithin auch die Elektronendichte. Die dritte Gleichung legt die Normierung der Teilchendichte für ein neutrales Atom fest, für positive Ionen wäre sie entsprechend abzuändern (für negative Ionen hat das Modell keine stabile Lösung).

Im Thomas-Fermi-Modell bestimmen sich die räumliche Verteilung der Elektronen und das ortsabhängige Potential gegenseitig so, dass alle obigen Gleichungen erfüllt sind. Das heißt, die räumliche Verteilung der Elektronen hat in der gewählten semiklassischen Näherung die Eigenschaft, dass sie (zusammen mit dem Kern) gerade das elektrostatische Potential erzeugt, aus dem sich an jedem Ort die der Dichte entsprechende Fermienergie ergibt. Gesucht ist also eine selbstkonsistente Lösung.

Umfang und Einschränkungen

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Das Thomas-Fermi-Modell stellt den einfachsten Weg dar, in einem Viel-Elektronensystem nicht nur die gegenseitige elektrostatische Abstoßung der Elektronen zumindest in pauschaler und klassischer Weise zu berücksichtigen, sondern auch das quantenmechanische Pauli-Prinzip. Ausgangspunkt ist die nur näherungsweise richtige Vorstellung, es gäbe einen festen Potentialtopf und er sei für alle Elektronen gleich. Das Modell ergibt daher für alle Atome (der Form nach) denselben Verlauf der Elektronendichte. Die Größe der Atome wird annähernd richtig wiedergegeben, ihre totale Bindungsenergie aber überschätzt (z. B. bei Hg um 17 %)[6]. Genauere Vorstellungen über die Form der Zustände der einzelnen Elektronen, detailliertere Informationen über den Aufbau der Elektronenhülle (z. B. Atomorbitale) oder die stabile Bindung zwischen Atomen kann das Modell nicht liefern.[7][2]

Im Vergleich zu Methoden, die versuchen die Schrödingergleichung zu lösen (z. B. nach dem Hartree-Fock-Verfahren bzw. der Self-Consistent-Field-Methode, SCF)[8][9] approximiert die TF-Näherung die Elektronendichte, und versucht die Gesamtenergie als Funktional der Dichte auszudrücken.[10][2]

Ca. 40 Jahre nach der TF-Theorie erbrachten die zwei Theoreme von Hohenberg-Kohn[11] sowie dem Kohn-Sham-Ansatz[12] den Beweis, dass der Ansatz, gleich von der Elektronendichte anstelle von den Wellenfunktionen auszugehen, für den Grundzustand keine Näherung darstellt, sondern geeignet ist, zu einer exakten Lösung zu führen.[13][14]

TF-Erweiterungen sind die Thomas-Fermi-Dirac- (TFD)[15] und Thomas-Fermi-Dirac-Weizsäcker-(TFDW)-Näherung,[16][17][18] für welche jedoch wie im Falle der TF-Näherung durch Teller gezeigt werden konnte, dass keine stabilen Bindungen möglich sind.[7]

Slater modifizierte die TFD-Näherung weiter (Akronym: bzw. Hartree-Fock-Slater-Methode).[19][9] Slaters -Methode, welche als Vereinfachung der HF-Methode entwickelt wurde, stellte die erste einfache Form einer Dichtefunktionaltheorie (DFT) dar.[13][20][14] TF bildet die Basis der sog. Dichtefunktionaltheorie (DFT; auch: KS-DFT),[21][22][14] für die Walter Kohn und John A. Pople 1998 mit dem Nobelpreis ausgezeichnet wurden.[10][23]

Einzelnachweise

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  1. a b P. Gombás: Das statistische Modell von Thomas und Fermi. In: Die Statistische Theorie des Atoms und ihre Anwendungen. Springer Vienna, Vienna 1949, ISBN 3-7091-2101-9, S. 30–76, doi:10.1007/978-3-7091-2100-9_3.
  2. a b c Elliott H. Lieb, Barry Simon: Thomas-Fermi Theory Revisited. In: Physical Review Letters. Band 31, Nr. 11, 10. September 1973, ISSN 0031-9007, S. 681–683, doi:10.1103/PhysRevLett.31.681.
  3. L. H. Thomas: The Calculation of Atomic Fields. In: Mathematical Proceedings of the Cambridge Philosophical Society. Band 23, Nr. 5, 1927, S. 542–548, doi:10.1017/S0305004100011683.
  4. E. Fermi: Eine statistische Methode zur Bestimmung einiger Eigenschaften des Atoms und ihre Anwendung auf die Theorie des periodischen Systems der Elemente. In: Zeitschrift für Physik. Band 48, Nr. 1–2, 1928, S. 73–79, doi:10.1007/BF01351576.
    Siehe auch italienische Erstveröffentlichung von E. Fermi: Un metodo statistico per la determinazione di alcune priorieta dell’atome. In: Rendicondi Accademia Nazionale de Lincei. Band 6, Nr. 32, 1927, S. 602–607.
  5. P. A. M. Dirac: Note on Exchange Phenomena in the Thomas Atom. In: Mathematical Proceedings of the Cambridge Philosophical Society. Band 26, Nr. 3, Juli 1930, ISSN 0305-0041, S. 376–385, doi:10.1017/S0305004100016108 (cambridge.org [abgerufen am 14. November 2021]).
  6. Julian Schwinger: Thomas-Fermi model: The leading correction. In: Phys. Rev. A. Band 22, 1980, S. 1827–1832, doi:10.1103/PhysRevA.22.1827.
  7. a b Edward Teller: On the Stability of Molecules in the Thomas-Fermi Theory. In: Reviews of Modern Physics. Band 34, Nr. 4, 1. Oktober 1962, ISSN 0034-6861, S. 627–631, doi:10.1103/RevModPhys.34.627.
  8. D. R. Hartree: The Wave Mechanics of an Atom with a Non-Coulomb Central Field. Part II. Some Results and Discussion. In: Mathematical Proceedings of the Cambridge Philosophical Society. Band 24, Nr. 1, Januar 1928, ISSN 1469-8064, S. 111–132, doi:10.1017/S0305004100011920 (cambridge.org [abgerufen am 14. November 2021]).
  9. a b J. C. Slater, K. H. Johnson: Self-Consistent-Field Xα Cluster Method for Polyatomic Molecules and Solids. In: Physical Review B. Band 5, Nr. 3, 1. Februar 1972, ISSN 0556-2805, S. 844–853, doi:10.1103/PhysRevB.5.844.
  10. a b The Nobel Prize in Chemistry 1998. 13. Oktober 1998, abgerufen am 13. November 2021 (amerikanisches Englisch).
  11. P. Hohenberg, W. Kohn: Inhomogeneous Electron Gas. In: Physical Review. Band 136, 3B, 9. November 1964, S. B864–B871, doi:10.1103/PhysRev.136.B864.
  12. W. Kohn, L. J. Sham: Self-Consistent Equations Including Exchange and Correlation Effects. In: Physical Review. Band 140, 4A, 15. November 1965, S. A1133–A1138, doi:10.1103/PhysRev.140.A1133.
  13. a b David C. Young: Computational chemistry : a practical guide for applying techniques to real world problems. Wiley, New York 2001, ISBN 0-471-33368-9, S. 42 ff.
  14. a b c Axel D. Becke: Perspective: Fifty years of density-functional theory in chemical physics. In: The Journal of Chemical Physics. Band 140, Nr. 18, 14. Mai 2014, ISSN 0021-9606, S. 18A301, doi:10.1063/1.4869598.
  15. P. A. M. Dirac: Note on Exchange Phenomena in the Thomas Atom. In: Mathematical Proceedings of the Cambridge Philosophical Society. Band 26, Nr. 3, Juli 1930, ISSN 0305-0041, S. 376–385, doi:10.1017/S0305004100016108 (cambridge.org [abgerufen am 14. November 2021]).
  16. P. Gombás: Erweiterungen des statistischen Modells. In: Die Statistische Theorie des Atoms und ihre Anwendungen. Springer, Vienna 1949, ISBN 3-7091-2100-0, S. 76–133, doi:10.1007/978-3-7091-2100-9_4.
  17. E. K. U. Gross, R. M. Dreizler: Thomas-Fermi approach to diatomic systems. I. Solution of the Thomas-Fermi and Thomas-Fermi-Dirac-Weizs\"acker equations. In: Physical Review A. Band 20, Nr. 5, 1. November 1979, S. 1798–1807, doi:10.1103/PhysRevA.20.1798.
  18. A. Toepfer, E. K. U. Gross, R. M. Dreizler: Thomas-Fermi approach to diatomic systems. II. Correlation diagrams for N-N and Ne-Ne. In: Physical Review A. Band 20, Nr. 5, 1. November 1979, S. 1808–1815, doi:10.1103/PhysRevA.20.1808.
  19. H. Adachi, T. Mukoyama, Jun Kawai: Hartree-Fock-Slater method for materials science : the DV-Xa method for design and characterization of materials. Springer, Berlin 2006, ISBN 3-540-31297-8.
  20. Errol Lewars: Computational chemistry : introduction to the theory and applications of molecular and quantum mechanics. Third edition Auflage. Switzerland 2016, ISBN 978-3-319-30916-3.
  21. Eberhard Engel, Reiner M. Dreizler: Density functional theory : an advanced course. Springer, Berlin 2011, ISBN 978-3-642-14090-7.
  22. H. O. Di Rocco, F. Lanzini, J. C. Aguiar: Thomas–Fermi approach to density functional theory: binding energy for atomic systems. In: European Journal of Physics. Band 37, Nr. 6, 19. August 2016, ISSN 0143-0807, S. 065402, doi:10.1088/0143-0807/37/6/065402.
  23. Nobelpreis für Chemie 1998. Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH, 14. Oktober 1998, abgerufen am 14. November 2021.