Approach-Avoidance-Task

Van Wikipedia, de gratis encyclopedie

Die Approach-Avoidance-Task, zu deutsch Annäherungs-Vermeidungs-Aufgabe, ist ein experimentelles Paradigma der Psychologie, mit dem implizite Handlungstendenzen untersucht[1] und modifiziert[2] werden können.

Das Paradigma bringt in der Regel den Befund hervor, dass Teilnehmende sich positiv bewerteten Reizen schneller annähern als negativen und dass umgekehrt negativ bewertete Reize durch schnelleres Wegschieben der Reize stärker vermieden werden als positive Reize.[3][4][5]

Hintergrund[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Unterscheidung in Annäherungs- und Vermeidungstendenzen ist ein grundlegender Aspekt der Motivation. Für eine erfolgreiche Adaptation an die Umwelt sind diese Prozesse unverzichtbar.[6] Annäherungstendenzen können als die Bereitschaft, die Distanz zwischen der eigenen Person und einem (positiv bewerteten) Aspekt der Umwelt durch Handlungen zu verringern, verstanden werden. Komplementär hierzu wird die Vermeidungstendenz als die Bereitschaft einer Person, den Abstand zwischen sich und einem (negativ bewerteten) Umweltaspekt zu vergrößern, aufgefasst.[7] Beispielsweise können Süßigkeiten zu einer Annäherung führen, d. h. in diesem Fall auch zum Konsum, und der äußerst unangenehme Geruch eines Ortes zum Weggehen motivieren. Wie tatsächliche auf einen Reiz reagiert wird, wird allerdings durch andere Einflüsse bestimmt.[7]

Die Approach-Avoidance-Task ermöglicht es, die Tendenzen einerseits zu messen und kann andererseits auch zur Modifikation der Tendenzen eingesetzt werden.[2] Diese Eigenschaften des Paradigmas erwiesen sich im Kontext psychischer Störungen als besonders nützlich, da dysfunktionale Annäherungs- und Vermeidungstendenzen bei verschiedenen Erkrankungen wie Angststörungen, Suchterkrankung und Depressionen eine wichtige Rolle spielen.[2] So zeigt sich beispielsweise, dass Personen, die an einer Sozialen Angststörung leiden, im Vergleich zu Kontrollgruppen mit geringen sozialen Ängsten stärkere Vermeidungstendenzen bei fröhlichen als auch bei wütenden Gesichtern zeigen.[8]

Anwendung des Paradigmas[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Erstmals wurde die Approach-Avoidance-Task 1960 von Solarz[4] als Verhaltensexperiment eingesetzt.[9] Teilnehmende mussten dabei Wortkarten entweder auf den Körper zu oder weg vom Körper bewegen.[4] Durch die Veränderung des Paradigmas Ende der 1990er-Jahre zu einem Experiment am Computer[3][5] konnte die Flexibilität und die Anwendungsmöglichkeiten der Approach-Avoidance-Task erhöht werden. Eine Übertragung des Paradigmas auf die Anwendung auf Smartphones soll Feldstudien ermöglichen.[9]

Verhaltensexperiment[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Solarz verwendete 1960 einen Versuchsaufbau mit dem Annäherungs- und Vermeidungs-Tendenzen auf der Verhaltensebene untersucht werden konnten. Die verwendete Apparatur offenbarte Wortkarten, auf denen einer von zehn Begriffen stehen konnte, der entweder positiv oder negativ war und der auf den Körper zu oder vom Körper weggeschoben werden sollten. Die benötigte Zeit, um eine Karte wegzuschieben oder Richtung Körper zu ziehen, wurde erfasst und zur Analyse der Tendenzen verwendet.[4]

Computergestützte Anwendung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bei der computergestützten Anwendung der Approach-Avoidance-Task werden Teilnehmenden einzelne Bilder auf einem Computerbildschirm präsentiert, auf die sie mit einem Joystick oder einer Computermaus reagieren müssen, indem durch das Beugen des Arms eine Annäherung bzw. durch die Streckung des Arms eine Vermeidung angedeutet wird. Die Bewegung wird meistens zusätzlich durch eine visuelle Rückmeldung kombiniert, die einen dynamischen Zoom-Effekt beinhaltet, wodurch der subjektive Eindruck des Annähern beziehungsweise Vermeidens verstärkt wird. Wird der Joystick zum Körper hin gezogen, vergrößert sich das Bild beim Zoom-Effekt und umgekehrt führt das Wegdrücken des Joysticks zu einer Verkleinerung des Bildes.[2]

Teilnehmende können auf zwei unterschiedliche Weisen instruiert werden, die computergestützte Approach-Avoidance-Task durchzuführen. Einerseits kann der Inhalt des Bildes entscheidend sein. So könnte eine Annäherung an Spinnen und eine Vermeidung von Schmetterlingen gelten. Andererseits können auch aufgabenirrelevante Eigenschaften des Bildes zur Kategorisierung genutzt werden; beispielsweise kann die Orientierung des Bildes entscheidend sein, da vertikal orientierte Bilder herangezogen und horizontal orientierte weggeschoben werden müssen.[2]

Die computergestützte Form der Approach-Avoidance-Task wird auch zur Modifikation der Annäherungs- und Vermeidungstendenzen genutzt. Beispielsweise mussten Teilnehmende in einer Studie Bilder von alkoholischen vs. nicht alkoholischen Getränken aufgrund der Bildorientierung (vertikal vs. horizontal orientiert) bewegen. Personen, die in den meisten Fällen alkoholische Getränke wegschieben mussten, zeigten später stärkere Vermeidungstendenzen bei Alkohol.[10]

Smartphonegestützte Anwendung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In einer smartphonegestützten Version der Approach-Avoidance-Task müssen die Teilnehmenden in einer neutralen Position das Smartphone vor sich hoch halten und entsprechend einer vorgegebenen Regel das Smartphone in Abhängigkeit der präsentierten Stimuli heranziehen oder vom Körper wegbewegen. Ein erster Befund deutet darauf hin, dass die smartphonegestützte Anwendung ebenfalls eine valide Messmöglichkeit der Annäherungs- und Vermeidungstendenzen darstellen könnte.[9]

Anwendung in der Vorstellung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bei der Selbsthilfetechnik Retraining in sensu werden Annäherungs- und Vermeidungsbewegungen in der Vorstellung (in sensu) durchgeführt, was eine größere Individualisierung der Stimuli ermöglicht. Das Manual kann in Deutsch und Englisch für unterschiedliches Problemverhalten bezogen werden (siehe Weblinks). Der Nutzen der Intervention wurde bereits in mehreren randomisiert-kontrollierten Interventionsstudien bei Menschen mit problematischem Alkoholkonsum,[11] übergewichtigen Personen,[12] und Rauchern[13] nachgewiesen; es konnte eine Abnahme des Verlangens sowie des Konsums demonstriert werden. Ein direkter Vergleich mit der computergestützten Version steht jedoch noch aus.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Approach Avoidance Task (AAT). 4. April 2019, abgerufen am 4. März 2021 (englisch).
  2. a b c d e Anke Loijen, Janna N. Vrijsen, Jos I. M. Egger, Eni S. Becker, Mike Rinck: Biased approach-avoidance tendencies in psychopathology: A systematic review of their assessment and modification. In: Clinical Psychology Review. Band 77, 2020, doi:10.1016/j.cpr.2020.101825, PMID 32143108.
  3. a b Mark Chen, John A. Bargh: Consequences of Automatic Evaluation: Immediate Behavioral Predispositions to Approach or Avoid the Stimulus. In: Personality and social psychology bulletin. Band 25, Nr. 2, 1999, S. 215–224, doi:10.1177/0146167299025002007.
  4. a b c d Andrew K. Solarz: Latency of instrumental responses as a function of compatibility with the meaning of eliciting verbal signs. In: Journal of Experimental Psychology. Band 59, Nr. 4, 1960, S. 239–245, doi:10.1037/h0047274 (apa.org [abgerufen am 4. März 2021]).
  5. a b Mike Rinck, Eni S. Becker: Approach and avoidance in fear of spiders. In: Journal of Behavior Therapy and Experimental Psychiatry. Band 38, 2007, S. 105–120, doi:10.1016/j.jbtep.2006.10.001 (sciencedirect.com [abgerufen am 4. März 2021]).
  6. Andrew J. Elliot: The Hierarchical Model of Approach-Avoidance Motivation. In: Motivation and Emotion. Band 30, 2006, S. 111–116, doi:10.1007/s11031-006-9028-7.
  7. a b Fritz Strack, Roland Deutsch: Reflective and Impulsive Determinants of Social Behavior. In: Personality and Social Psychology Review. Band 8, Nr. 3, 2004, S. 220–247, doi:10.1207/s15327957pspr0803_1.
  8. Kathrin Heuer, Mike Rinck, Eni S. Becker: Avoidance of emotional facial expressions in social anxiety: The Approach–Avoidance Task. In: Behaviour Research and Therapy. Band 45, Nr. 12, 2007, S. 2990–3001, doi:10.1016/j.brat.2007.08.010 (sciencedirect.com [abgerufen am 4. März 2021]).
  9. a b c Hilmar G. Zech, Mark Rotteveel, Wilco W. van Dijk, Lotte F. van Dillen: A mobile approach-avoidance task. In: Behavior Research Methods. Band 52, 2020, S. 2085–2097, doi:10.3758/s13428-020-01379-3.
  10. Reinout W. Wiers, Mike Rinck, Robert Kordts, Katrijn Houben, Fritz Strack: Retraining automatic action-tendencies to approach alcohol in hazardous drinkers. In: Addiction. Band 105, Nr. 2, 2010, S. 279-87, doi:10.1111/j.1360-0443.2009.02775.x, PMID 20078486.
  11. Steffen Moritz, Alia Marie Paulus, Birgit Hottenrott, Roland Weierstall, Jürgen Gallinat: Imaginal retraining reduces alcohol craving in problem drinkers: A randomized controlled trial. In: Journal of Behavior Therapy and Experimental Psychiatry. Band 64, September 2019, S. 158–166, doi:10.1016/j.jbtep.2019.04.001 (elsevier.com [abgerufen am 16. Juli 2021]).
  12. Steffen Moritz, Anja S. Göritz, Stella Schmotz, Roland Weierstall-Pust, Josefine Gehlenborg: Imaginal retraining decreases craving for high-calorie food in overweight and obese women: A randomized controlled trial. In: Translational Psychiatry. Band 9, Nr. 1, Dezember 2019, ISSN 2158-3188, S. 319, doi:10.1038/s41398-019-0655-7.
  13. Steffen Moritz, Anja S. Göritz, Moana Kraj, Josefine Gehlenborg, Birgit Hottenrott: Imaginal Retraining Reduces Cigarette Smoking: A Randomized Controlled Study. In: European Addiction Research. Band 26, Nr. 6, 2020, ISSN 1022-6877, S. 355–364, doi:10.1159/000509823.