Bidirektionales Laden

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Unter bidirektionellem Laden (kurz: Bidi-Laden) versteht man die Fähigkeit von abgestellten Elektroautos, die elektrische Energie, welche in den Akkumulatoren des Elektroautos geladen ist, bei Bedarf über die Ladeninfrastruktur an das Stromnetz zurückspeisen zu können. Mit Stand Anfang 2024 befindet sich dieses technisches Verfahren in Modellversuchen ohne breiter Anwendung, da es neben rechtlichen Punkten nur wenige geeignete Elektroautos und Ladeinfrastruktur wie Wallboxen gibt, welche diese Energierückspeisung technisch ermöglichen.[1] Die Vision bei dem bidirektionellen Laden ist, dass Elektroautos in ausreichend hoher Anzahl die Schwankungen im Stromnetz von Angebot und Nachfrage ausgleichen.[2] Da der finanzielle Wert eines Elektroauto wesentlich von der aktuellen Kapazität der verbauten Akkumulatoren abhängt und diese Kapazität der Akkumulatoren durch die laufenden Lade- und Entladezyklen reduziert wird, und es damit abseits der Nutzung als Fahrzeug zu einer zusätzlichen Reduktion des Restwertes des Elektroautos kommt, ist offen ob auch eine wesentliche Anzahl an Eigentümer der Elektrofahrzeuge das bidirektionale Laden in Anspruch nehmen.[3]

Funktion[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Testfahrzeug für bidirektionellem Laden auf der IAA Mobility 2023

Beim birektionalen Laden kann die elektrische Energie wahlweise in beide Richtungen fließen: Vom Stromnetz in die Akkumulatoren im Elektroauto und bei Bedarf auch wieder zurück aus den Akkumulatoren vom Elektroauto zurück in das Wechselstromnetz. Dazu nötig sind neben einem Laderegler für das Laden der Akkumulatoren ein zusätzlicher Wechselrichter nötig, welche bei der Rückspeisung die Gleichspannung des Batteriespeichers für die Einspeisung in das Stromnetz in Wechselspannung umrichtet.[1]

Die technische Infrastruktur bei bidirektionalen Lademanagement (BDL) sind folgende Komponenten beteiligt:

  • Elektroautos und Hybridfahrzeuge
  • Ladeinfrastruktur und in Kombination mit Wechselrichtern
  • Energiesysteme wie das Stromnetz, bestehend aus Haus-/Gebäudenetz, externe Stromverbraucher

Die Norm ISO 15118 legt die Kommunikationsschnittstelle zwischen Fahrzeugen und Ladestation fest, darin ist auch ein Abschnitt zu bidirektionellem Laden vorgesehen damit die verschiedenen Komponenten reibungslos zusammenarbeiten können.

Vehicle-to-X (V2X)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Es gibt verschiedene Konzepte des bidirektionalen Ladens.[4] Diese können nach dem Erlösort des Mehrwerts gruppiert werden und werden zusammenfassend als Vehicle-to-X (V2X) bezeichnet:

  • Vehicle to Load (V2L) auch Vehicle-to-Utility (V2U)[5] ermöglicht die Stromversorgung einzelner Geräte (Campingausrüstung, Laden von e-Bikes etc.). Einige Elektroautos unterstützen diese Funktion bereits, etwa durch eingebaute 230V-Schuko-Steckdosen (Honda e bis 1500 W) oder durch Adapter am Typ-2-Ladeport (Hyundai Ioniq 5/Kia EV6 mit bis zu 3500 W).
  • Vehicle to Home (V2H) bezeichnet die Versorgung eines Hauses mit Strom aus dem Akku eines Elektrofahrzeugs.
  • Vehicle to Grid (V2G) bezeichnet die normgerechte Anbindung an das öffentliche Stromnetz, wie etwa bei Photovoltaik-Anlagen. Dies wird in Studien erforscht und im neu entstehenden Stadtteil von Utrecht („Cartesius“), als Praxismodell erprobt.[6] In der Schweiz ist es bereits erlaubt, bidirektionale Ladestationen zu installieren und zu betreiben. Benötigt wird lediglich die Zustimmung des lokalen Verteilnetzbetreibers. Nach erteilter Genehmigung wird der dem Auto entnommene Strom jenem aus einem herkömmlichen Speicher gleichgesetzt und zu auch denselben Konditionen vergütet.[7]
  • Vehicle to Building (V2B): Bei Vehicle to Building versorgen mehrere Fahrzeuge oder ganze Flotten große Gebäude mit mehreren Parteien mit Strom oder decken Lastspitzen ab (peak shaving).
  • Vehicle-to-Vehicle (V2V): bezeichnet das Laden anderer E-Autos oder zum Beispiel auch das Laden von Booten oder Campern.[5]

Regulatorische Schwierigkeiten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Neben technischen sind insbesondere regulatorische Schwierigkeiten zu lösen, welche mit Stand 2024 bestehen:

  • Garantiebedingungen von Akkus von Elektrofahrzeugen: Um die Garantiebedingungen der Autohersteller von Akkus nicht zu verletzen, kann eine Beschränkung des bidirektionalen Betriebs vorgesehen werden.
  • Erweiterung / Harmonisierung von Gesetzen / Vorgaben
    • In der Ladesäulenverordnung fehlen die Definitionen oder technische Voraussetzungen des bidirektionalen Ladens.
    • Im Elektromobilitätsgesetz fehlt die Definition der verschiedenen Rückspeisungsmöglichkeiten oder die Kennzeichnung von bidirektionalen Ladesäulen.
    • Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) berücksichtigt Elektrofahrzeuge weder als mobile Speicher noch generell zur Energiespeicherung.
    • Das Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) und das EEG besitzen unterschiedliche Definitionen des Letztverbrauchers.
  • Politische Vorgaben: Im Masterplan Ladeinfrastruktur der Bundesregierung[8] werden keine Vorgaben gemacht, ob und wie viele Elektrofahrzeuge das bidirektionale Laden unterstützen und welche Ladesäulen den Stromfluss in beide Richtungen unterstützen sollen.
  • Steuerrechtliche Fragen: Die Fragestellungen (u. a. Betreiber wird zu Unternehmer mit Gewinnerzielungsabsicht) des bidirektionalen Ladens können mit der steuerliche Behandlung von PV-Anlagen verglichen werden.

Bei den Anwendungsmöglichkeiten sind unterschiedlich viele Marktteilnehmer beteiligt, die damit regulatorisch unterschiedlich komplex sind:

  • Bei V2L sind nur die Automobilhersteller involviert und diese erfüllen die technischen und regulatorischen Voraussetzungen. Einige Automobilhersteller bieten V2L in ihren Fahrzeugen bereits an.
  • Bei V2H sind neben Automobilherstellern auch Wallboxhersteller, PV Anlagenhersteller, Smart Home Hersteller und Elektroinstallateure beteiligt.
  • Bei V2G kommen zusätzlich Netzbetreiber und Bundesnetzagentur hinzu.

V2H ist regulatorisch einfacher als V2G, womit V2H schneller marktreif wird als V2G. Im Positionspapier zu notwendigen regulatorischen Anpassungen im Kontext des bidirektionalen Ladens[9] werden regulatorische Hemmnisse und Handlungsempfehlungen genannt.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Marco Jung: Multifunktionales bidirektionales Laden. In: Handbuch Elektromobilität 2015. / Reiner Korthauer (Hrsg.). EW Medien und Kongresse, Frankfurt a. M., Berlin, Essen 2015, ISBN 978-3-8022-1132-4, S. 182–198.
  • Marco Jung et al.: Kabelgebundenes und kabelloses bidirektionales Laden von Elektrofahrzeugen. In: Elektrik/Elektronik in Hybrid- und Elektrofahrzeugen und elektrisches Energiemanagement VI.: [4th Conference "Electric & Electronic Systems in Hybrid and Electric Vehicles and Electrical Energy Management" organized by Haus der Technik e.V. Essen April 22nd and 23rd, 2015, in Bad Boll; EEHE] / Carsten Hoff; Ottmar Sirch (Hrsg.). expert-Verl., Renningen 2015, ISBN 978-3-8169-3311-3, S. 459–481.
  • Adrian Ostermann, Matthias Müller, Sebastian Faller: Bidirectional charging management – Developing a measurement concept for pilot operation in Germany. In: NEIS 2020: Conference on Sustainable Energy Supply and Energy Storage Systems, Hamburg, 14-15 September 2020. [8th NEIS Conference]. / Detlef Schulz (ed.) VDE-Verl., Berlin [2020], ISBN 978-3-8007-5359-8, S. 155–160.
  • Marek Mägi: Analysis of distribution substation topologies for energy exchanging between EV and utility networks. In: 11th International Symposium "Topical problems in the field of electrical and power engineering". Doctoral school of energy and geotechnology II: Pärnu, Estonia, January 16-21, 2012. / J. Zakis (ed.). Tallinn University of Technology, Faculty of Power Engineering; Elektriajam, Tallinn 2012, ISBN 978-9985-69-051-2, S. 158–167 (PDF).

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b Das Elektroauto als Stromspeicher fürs Haus: So funktioniert bidirektionales Laden. ADAC, 24. Februar 2024, abgerufen am 20. April 2024.
  2. Stefan Menzel: „Bidirektionales Laden“: So will Volkswagen am Speichern von Strom verdienen. Elektroautos können bislang nur laden und keinen Strom abgeben. Der VW-Konzern wird das im kommenden Jahr ändern. Andere Hersteller dürften nachziehen. In: www.handelsblatt.com. Handelsblatt, 5. April 2021, abgerufen am 29. Mai 2022.
  3. Wertverlust Elektro­auto: Kurz er­klärt in 30 Sekunden. Allianz Deutschland AG, abgerufen am 21. April 2024.
  4. Erlöspotenziale, ökologische Mehrwerte und Kosten durch das gesteuerte und bidirektionale Laden von Elektrofahrzeugen. Abgerufen am 30. November 2021 (deutsch).
  5. a b Götz Warnke: Bi-Di-Laden – Das E-Auto als Speicher. In: www.dgs.de. Deutsche Gesellschaft für Sonnenenergie, 27. Mai 2022, abgerufen am 31. Mai 2022.
  6. Ajaz Shah: Utrecht soll zur bi-direktionalen Lade-City werden. In: Energyload. 5. Mai 2022, abgerufen am 14. Juli 2022 (deutsch).
  7. energie360: Bidirektionales Laden: Wann kommt der Durchbruch? Abgerufen am 29. Februar 2024.
  8. Masterplan Ladeinfrastruktur der Bundesregierung. (PDF; 0,475 MB) Bundesministerium für Digitales und Verkehr, 24. Juni 2022, abgerufen am 13. Juli 2022 (deutsch).
  9. Positionspapier zu notwendigen regulatorischen Anpassungen im Kontext des bidirektionalen Ladens. (PDF; 1,41 MB) Im Auftrag der Initiative „Bidirektionales Laden“ Nymoen Strategieberatung GmbH, Dr. Håvard Nymoen, Tim Kimpel, Christopher Kaschade, 7. März 2022, abgerufen am 14. Juli 2022 (deutsch).