Breitrandschildkröte

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Breitrandschildkröte

Breitrandschildkröte (Testudo marginata)

Systematik
ohne Rang: Sauropsida
Ordnung: Schildkröten (Testudines)
Unterordnung: Halsberger-Schildkröten (Cryptodira)
Familie: Landschildkröten (Testudinidae)
Gattung: Paläarktische Landschildkröten (Testudo)
Art: Breitrandschildkröte
Wissenschaftlicher Name
Testudo marginata
Schoepf, 1792
Griechische und sardische Lokalform
Schematische Darstellung verschiedener Regionalformen
Sexueller Dimorphismus:
links Männchen, rechts Weibchen
Paarung, das Männchen ist größer als das Weibchen
Graben der Nisthöhle
Eiablage
Schlupf der Jungtiere

Die Breitrandschildkröte (Testudo marginata Schoepf, 1792) ist die größte der fünf Landschildkrötenarten innerhalb der Gattung Testudo (Paläarktische Landschildkröten). Wildlebende Tiere erreichen in einigen Regionen Panzerlängen (SCL, Stockmaß) von bis zu 34 cm; es gibt aber auch kleinwüchsige Populationen mit zirka 20 cm Panzerlänge. Das Verbreitungsgebiet beschränkt sich heute auf die südliche Balkanhalbinsel sowie einige Ägäische Inseln. Vorkommen auf Sardinien und dem italienischen Festland gelten als von Menschenhand eingebürgert. Die Art weist verschiedene Lokalformen, aber keine echten Unterarten auf.[1]

Diese Landschildkrötenart besitzt einen langgestreckten, in der Mitte taillierten Rückenpanzer, dessen hintere Randschilde – insbesondere bei älteren, männlichen Tieren – weit ausgestellt, teilweise auch aufgewölbt und gesägt sind. Die Grundfarbe des Rückenpanzers ist bei adulten Tieren schwarz mit helleren Flecken in den Vertebral- und Costalschilden. Der horngelbe Bauchpanzer weist charakteristische, paarig angeordnete, dunkle Dreiecksflecken auf, deren Spitzen nach hinten gerichtet sind. Die Vorderseiten der Vorderbeine sind mit großen, dachziegelartig überlappenden Schuppen bedeckt. Bei älteren Tieren ist der Hinterlappen des Bauchpanzers (Plastron) etwas beweglich. Am Schwanz fällt eine längliche Markierung auf. Die Tiere besitzen Ansätze von Schenkelspornen, aber keinen Hornnagel am Schwanz. Je nach Lokalform können die Tiere Panzerlängen von bis zu 34 cm erreichen, bei Gefangenschaftshaltung sogar bis 40 cm.

Jungtiere unterscheiden sich von geschlechtsreifen Tieren in Panzerform und Färbung. Der Panzer ist rundlicher, die Verbreiterung der hinteren Randschilde fehlt noch. Die hellen Carapaxschilde der Schlüpflinge bekommen durch das Hornwachstum eine hufeisenförmige, dunkle Umrandung, die im Laufe der Zeit immer breiter wird und zum charakteristischen Bild von fast schwarzen Schildkröten mit hellen Zentralflecken führt.

Die Art besitzt einen ausgeprägten Geschlechtsdimorphismus. Ungewöhnlich für die Gattung Testudo ist, dass männliche Breitrandschildkröten größer als weibliche sind. Der namensgebende breite Rand ist bei ihnen stärker ausgeprägt, sie sind noch langgestreckter und taillierter. Darüber hinaus besitzen sie wie andere Testudo-Arten auch einen längeren und an der Basis dickeren Schwanz und einen deutlich konkaven Bauchpanzer.[2]

Geographische Variationen

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Die Breitrandschildkröte Testudo marginata ist trotz ihres kleinen Verbreitungsgebietes in der Erscheinungsform verhältnismäßig variabel. Das führte zu mehrfachen Versuchen, bestimmte Lokalformen anhand ihrer morphologischen Kriterien als Unterarten oder gar eigenständige Arten auszugliedern. 1992 beschrieb Mayer die Breitrandschildkröten Sardiniens als eigene Unterart Testudo marginata sarda, weil ihre hinteren Randschilde weniger gezackt und nicht so stark ausladend sind wie bei der griechischen Form, was insbesondere bei adulten Männchen auffällt. Diese Einstufung ist jedoch nicht haltbar, da die sardischen Tiere von Menschenhand eingeschleppt wurden und diese Lokalform zu jung ist, um eine genetisch eigenständige Unterart bilden zu können. Bei den unbestrittenen Unterschieden in der Panzerform handelt es sich vermutlich um das Aufrechterhalten von Jugendformen.[3] Auch bestimmte griechische Lokalformen unterscheiden sich in Panzerform und -größe von anderen Populationen, was Bour 1995 dazu veranlasste, sie als eigenständige Art, Testudo weissingeri, zu bezeichnen. Untersuchungen zeigten jedoch, dass sich die Tiere genetisch kaum unterscheiden, so dass ihre geringere Größe auf karge Umweltbedingungen zurückgeführt wird.[4]

Das natürliche Vorkommen der Breitrandschildkröte ist das südliche Griechenland vom Peloponnes bis zum Olymp und das angrenzende südliche Albanien. Daneben gibt es kleine, inselartige Vorkommen auf den Ägäischen Inseln Skyros und Poros. In einigen Regionen Italiens ist die Breitrandschildkröte eingebürgert. Dazu zählen die Vorkommen im Nordosten von Sardinien und eine isolierte Population bei Tombolo Livorno, Toskana. Ein angebliches Vorkommen bei Ephesos in der Türkei basiert offenbar auf einzelnen Sichtungen verschleppter Exemplare.

Die Breitrandschildkröte ist mehr in gebirgigen Lebensräumen zu Hause als die Griechische Landschildkröte (Testudo hermanni). Sie lebt dabei in Höhen bis zu 1600 Metern. Den Tieren kommt die dunkle Färbung des Rückenpanzers zugute, die ihnen in kurzer Zeit die Absorption von viel Wärme ermöglicht, um so auf die notwendige Körpertemperatur zu kommen. Die ziemlich helle Unterseite verhindert wiederum die Wärmeabstrahlung auf dem kalten Erdreich. Gleichzeitig kann der massereiche Körper die Wärme lange speichern. Hauptnahrung sind die Pflanzen auf den Wiesen ihrer mediterranen Heimat. Am frühen Vormittag verlassen sie ihren nächtlichen Unterschlupf und lassen sich zuerst von der Sonne erwärmen. Danach suchen sie ihre Fressplätze auf. Grundsätzlich sind die Tiere Pflanzenfresser, tierisches Eiweiß wird insbesondere bei Nahrungsmangel jedoch auch nicht verschmäht, das gilt vor allem für Jungtiere und trächtige Weibchen. So werden hin und wieder auch Regenwürmer und Schnecken aufgenommen. Die heiße Mittagszeit verbringen sie in ihren Verstecken, die sie meist erst wieder in den späten Nachmittagsstunden verlassen.

Unmittelbar nach dem Erwachen aus der Kältestarre setzt der Paarungstrieb ein. Mit großem Eifer verfolgen die Männchen die Weibchen, umkreisen sie, beißen sie in die Gliedmaßen, rammen sie mit heftigen Stößen und versuchen aufzureiten. Bei der stoßweisen Kopulation öffnet das Männchen das Maul, die rote Zunge wird sichtbar, und es stößt weit hörbare Schreie aus. Sie klingen fast seufzend in langen tiefen Tönen, im Gegensatz zur Maurischen Landschildkröte, bei der ein hohes stoßweises Piepen hörbar ist. Während der Paarung bleibt das Weibchen ruhig stehen und hält den Kopf seitlich aufwärts, so dass es das weit geöffnete Maul des Männchens sehen kann. Offensichtlich hat die rote Zunge eine Signalfunktion. Im selben Rhythmus, wie das Männchen seine Laute erzeugt, bewegt das Weibchen seinen Kopf nach links und rechts.

Hat das Weibchen nach langem Suchen den richtigen Platz gefunden, verharrt es still und stemmt die Vorderbeine fest in den Boden. Es beginnt nun, mit den Hinterbeinen eine Höhle auszugraben. Die Füße arbeiten dabei im Wechsel zwischen links und rechts, anfangs mehr scharrend, dann richtig grabend und schaufelnd. Bald bilden sich zwei Haufen aus lockerem Erdreich. Die Größe der Höhle wird durch die Länge der Hinterbeine bestimmt. Ist die Erde zu hart, lässt das Weibchen Wasser aus der Analblase ab, um sie aufzuweichen. Nach der Grabarbeit beginnt die Eiablage. Jedes Ei wird sachte nach hinten gerollt. Nach dem letzten Ei beginnt das Weibchen unverzüglich mit dem Zuschaufeln, wiederum abwechselnd mit den Hinterbeinen. Zuletzt stampft sie noch mit den Füßen die Erde fest. So erhält der Boden wieder die natürliche Festigkeit. Große Tiere können in einem Sommer bis zu drei Gelege mit je 15 Eiern ablegen.

Die Brutzeit unter natürlichen Bedingungen beträgt etwa 100 Tage. Das ist verhältnismäßig kurz. Bei vielen tropischen Schildkröten dauert sie bis zu 200 Tage. Die relativ kurze Zeit ist eine Anpassung an das subtropische Mittelmeerklima mit den nicht unbegrenzt langen Sommern. Die Brutdauer im Inkubator ist bedeutend kürzer. Bei durchgehend 31,5 Grad Celsius schlüpfen Breitrandschildkröten schon nach 60 Tagen.

Nach den sechzig Tagen embryonaler Entwicklung im Ei ritzt das Jungtier zuerst mit dem Eizahn die Schale von innen an, drückt mit dem Eizahn eine Öffnung heraus und kann nun zum ersten Mal die Lungen mit Luft füllen. Danach zieht es sich wieder zurück, dreht sich im Ei, bearbeitet weiterhin mit dem Eizahn die Schale und klappt dann das Ei auf. In der Natur bleibt das Tier die ersten zwei Wochen noch in der Erde. Hier ist es sicher vor Feinden und wächst trotzdem, denn es ernährt sich von dem eingezogenen Dottersack. Die Jungtiere leben sehr versteckt, meist halten sie sich im Schatten auf, sie meiden die Sonne, denn die Gefahr durch Überhitzung ist groß. Über das Wachstum von Breitrandschildkröten in der Natur ist wenig bekannt, Angaben zu Wachstumsgeschwindigkeiten liegen nur aus Gefangenschaftshaltung vor. Ab der Geschlechtsreife ist die Gewichtszunahme nur noch minimal. In Gefangenschaft können die Tiere ein hohes Alter von bis zu 100 Jahren erreichen, Angaben aus der Natur liegen keine vor.

Die Breitrandschildkröte ist wie alle Echten Landschildkröten durch das Washingtoner Artenschutzabkommen geschützt. Sie ist in CITES Anhang II.[5] bzw. Anhang A der EU-Artenschutzverordnung gelistet. Ihre Haltung ist nach der Bundesartenschutzverordnung in der Bundesrepublik Deutschland meldepflichtig.[6]

Die Breitrandschildkröte wird von der Europäischen Union in den Anhängen II und IV der FFH-Richtlinie geführt und gilt damit als streng zu schützende Art von gemeinschaftlichem Interesse, für deren Erhaltung von den Mitgliedsstaaten besondere Schutzgebiete ausgewiesen werden müssen.

Einzelnachweise

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  1. Uwe Fritz, Peter Havas: Checklist of Chelonians of the World. (PDF; 925 kB) In: Vertebrate Zoology. 57 (2), Dresden 2007.
  2. H. Bringsoe, J. Buskirk, R. E. Willemsen: Testudo marginata SCHOEPFF, 1792 - Breitrandschildkröte. In: Uwe Fritz (Hrsg.): Handbuch der Reptilien und Amphibien Europas. Band 3: Schildkröten (Testudines) 1. Aula, Wiebelsheim 2001, ISBN 3-89104-004-0.
  3. U. Fritz, G. Peters, W. Matzanke, M. Matzanke: Zur Schildkrötenfauna Nordsardiniens. Teil 1. In: herpetofaua. 17 (99) 1995.
  4. U. Fritz, P. Siroky, H. Kami, M. Wink: Environmentally caused dwarfism or a valid species - Is Testudo weissingeri Bour, 1996 a distinct evolutionary lineage? New evidence from mitochondrial and nuclear genomic markers. In: Molecular Phylogenetics and Evolution. 37 (2) 2005, S. 389–401.
  5. CITES Species database@1@2Vorlage:Toter Link/www.unep-wcmc.org (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im Juni 2023. Suche in Webarchiven)  Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
  6. DGHT Datenbank der geschützten Amphibien und Reptilien@1@2Vorlage:Toter Link/www.herp-science.de (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im April 2018. Suche in Webarchiven)  Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
  • H. Bringsoe, J. Buskirk, R. E. Willemsen: Testudo marginata SCHOEPFF, 1792 – Breitrandschildkröte. In: Uwe Fritz (Hrsg.): Handbuch der Reptilien und Amphibien Europas. Band 3: Schildkröten (Testudines) 1. Aula, Wiebelsheim 2001, ISBN 3-89104-004-0.
  • M. Herz: Beobachtungen an Breitrandschildkröten Testudo marginata SCHOEPFF, 1792 in freier Natur. In: Sauria. 16(1) 1994, S. 27–30.
  • P. F. Keymar, H. Weissinger: Distribution, morphological variation and status of Testudo marginata in Greece. – Proceedings of the 4th Ordinary General Meeting of the Societas Europaea Herpetologica. S. 219–222.
  • M. Mähn N. Graf: Zur Fortpflanzungsbiologie europäischer Landschildkröten am Beispiel der Breitrandschildkröte (Testudo marginata, SCHOEPFF 1792). In: Mediterrane Landschildkröten. (Draco 2). Natur-und-Tier-Verlag, Münster 2000, DNB 959186042, S. 32–41.
  • R. Praschag: Landschildkröten, Verlag Eugen Ulmer, Stuttgart 2002, ISBN 3-8001-3546-9.
  • M. Rogner: Schildkröten – Biologie, Haltung, Vermehrung. Verlag Eugen Ulmer, Stuttgart 2008, ISBN 978-3-8001-5440-1.
  • W. Wegehaupt: Die sardische Population der Breitrandschildkröte (Testudo marginata SCHOEPFF, 1792). In: Marginata. 1. Januar 2004, S. 24–30.
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