ESOC-Bodenstation Michelstadt

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Parabolantenne und Hauptgebäude der ESOC-Bodenstation Michelstadt
Parabolantenne der ESOC-Bodenstation Michelstadt

Die ESOC-Bodenstation Michelstadt (früher: ESA Groundstation Odenwald) war die zentrale Empfangsstation für die Satellitenbilder des geosynchronen Wettersatelliten Meteosat. Sie wurde 1975 errichtet und befand sich in einer Bodensenke nordwestlich von Michelstadt und westlich von Zell im Odenwald. Sie war durch ihre 15 m- und 13,5 m-Parabolantennen weit bekannt. Zu den unterstützten Missionen gehörte Hipparcos, die Station war ursprünglich vorgesehen als alleiniges Bodensegment mit einer permanenten Verbindung zum Satelliten im S-Band.

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bei der Tagung des ESRO Rates im November 1972 wurde die Errichtung und der Betrieb einer Bodenstation zur Kontrolle aller geostationärer Satelliten der Organisation bei Michelstadt/Odenwald beschlossen. Ursprünglich sollte auch die Station für den OTS Satelliten und spätere ECS Satelliten genutzt wurden, doch den deutschen Behörden war es nicht möglich die Nutzung des Frequenzbandes von 11 bis 14-GHz über 1980 hinaus zu garantieren.[1] Am 7. Juni 1974 wurde das Abkommen dann in Paris unterzeichnet.[2] Schon ein Jahr später ging die ESRO mit der ELDO in der ESA auf. Das Gebäude wurde Anfang 1975 fertiggestellt und Mitte des Jahres begann die Installation der Subsysteme. Errichtet wurden zwei 15 m Antennen zum einen für den S-Band Empfang der GEOS Satelliten und zum anderen für die Meteosat Verbindungen, mit Ausnahme der VHF Backup Verbindung. Außerdem wurde ein 30 m hoher Turm etwa 4 km von der Station entfernt errichtet, um die Antennen kalibrieren zu können.[3] Am 14. September 1976 wurde die Bodenstation vom Bundesminister für Forschung und Technologie Hans Matthöfer eingeweiht.[4] 1977 erfolgten die Starts von Meteosat und GEOS-1.

Von 1981 bis 1982 wurde eine neue 10 m Antenne gebaut und im Oktober desselben Jahres in Betrieb genommen, um beide Meteosat Satelliten gleichzeitig empfangen zu können.[5] Nachdem im August 1984 Meteosat-1 aufgegeben worden war, wurde die Antenne auch für den Empfang von GOES-4 eingesetzt, der von der NOAA ausgeliehen und über Europa positioniert wurde.[6] Im Jahr 1983 wurde EUMESAT gegründet, die sich fortan um die Verarbeitung und Bereitstellung der Daten von Wettersatelliten, insbesondere Meteosat, kümmerten. Gleichzeitig wurde auch das Meteosat Operational Programme (MOP) beschlossen, das den Bau von drei weiteren Satelliten der ESA für EUMETSAT bedeutete. Von 1986 bis 1988 wurde die Antenne, die zuvor für GEOS genutzt wurde, für den Betrieb von Hipparcos ausgerüstet. Nachdem der Satellit nicht wie vorhergesehen eine geostationäre Umlaufbahn erreichen konnte, sondern nach einer Fehlfunktion des Antriebs in einer Transferbahn stecken blieb, waren einige Modifikationen notwendig. Somit mussten auch Stationen in Perth, Kourou und die DSN-Station Goldstone hinzugezogen werden, um eine ausreichende Abdeckung zu erreichen. Ebenfalls 1989 wurde eine weitere voll bewegliche 13,5 m-Antenne beschafft für die bevorstehenden MOP Satelliten.[7] Die Integration dieser Antenne wurde 1991 abgeschlossen.

Im Mai 1991 beschloss EUMETSAT ein eigenes Bodensegment unabhängig von der ESA zu entwickeln. Dazu wurden zwei Antennen in Fucino errichtet.[8] Zum 1. Dezember des Jahres 1995 wurde der Funkverkehr mit den Meteosat Satelliten am Standort eingestellt. Trotzdem wurde die Station für den Betrieb der Cluster-Satelliten vorbereitet. Beim Fehlstart von Ariane V88 gingen die Cluster-Satelliten verloren, somit war die Bodenstation ohne aktive Mission und wartete auf eine Entscheidung über Cluster II.[9] Anfang 1997 wurden die Meteosat-Antennen abgebaut. Somit verblieb nur noch eine 15 m-Antenne für den wissenschaftlichen Betrieb am Standort. Auch das Personal wurde auf ein Minimum reduziert.[10] Zwar beschloss die ESA Cluster II zu bauen, doch nun war nur noch eine Bodenstation in Villafranca für den Betrieb vorhergesehen. 1998 wurden 23 Tonnen Equipment von Michelstadt nach Spanien gebracht, um die dortige Bodenstation VIL-1 für die Mission auszurüsten. Dazu gehörten auch die 60 Paneele der Antennenschüssel, der Subreflektor und Teile der Struktur, aber auch große Teile der Elektronik.[11] Ende 1998 kündigte die ESA das Abkommen mit der Bundesrepublik Deutschland über den Betrieb der Station, die damit zum 1. Januar 2002 stillgelegt wurde.[12] Die Station ging dann in Besitz der erst Ende 2001 gegründeten „Nachrichtentechnischen Systementwicklungsgesellschaft“ (NTS GmbH) mit Sitz in München über.[13][14] Nach dem Tod des Besitzers im Jahr 2004 wurde die Anlage aufgegeben und die Firma NTS ging 2008 insolvent.[15] 2014 übernahm eine Privatperson das Gebäude. Es gibt Pläne, dass das Naturschutzzentrum Odenwald das Gebäude nutzt, doch diese wurden bisher nicht in die Tat umgesetzt.[16] Die einzig noch existierende Parabolantenne ist funktionslos und all ihrer Technik beraubt, auch das Technikgebäude ist in schlechtem baulichen Zustand.

Missionen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Mission Typ Startdatum Enddatum Umlaufbahn weitere Stationen Bemerkungen
GEOS-1 Wissenschaft 20.04.1977 01.04.1980 GTO Redu, NASA geplant war eine geostationäre Umlaufbahn
Meteosat-1 Meteorologie 23.11.1977 25.11.1979 GEO Betrieb ohne Imager bis August 1984
GEOS-2 Wissenschaft 14.07.1978 02.10.1985 GEO Redu
GOES-4 Meteorologie 09.09.1980 09.10.1988 GEO Seit 1985 von der NOAA ausgeliehen[6]
Meteosat-2 Meteorologie 19.06.1981 11.08.1988 GEO
Meteosat-3 (P2) Meteorologie 15.06.1988 31.05.1995 GEO
Meteosat-4 (MOP-1) Meteorologie 06.03.1989 08.11.1995 GEO
Hipparcos Wissenschaft 08.08.1989 15.08.1993 GTO Perth, Kourou, Goldstone geplant war eine geostationäre Umlaufbahn
Meteosat-5 (MOP-2) Meteorologie 02.03.1991 16.04.2007 GEO 1995 an EUMETSAT abgegeben
Meteosat-6 (MOP-3) Meteorologie 20.11.1993 15.04.2011 GEO 1995 an EUMETSAT abgegeben
Cluster Wissenschaft (04.06.1996) - - Redu Fehlstart
Quelle: [17]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Europas erster Anwendungssatellit (Memento vom 12. Juni 2015 im Internet Archive) auf dlr.de

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. J. Krige, A. Russo: A History of the European Space Agency 1958 – 1987. Abgerufen am 9. August 2023.
  2. Bundesgesetzblatt BGBl. Online-Archiv 1949 - 2022 | Bundesanzeiger Verlag. Abgerufen am 6. August 2023.
  3. European Space Agency: Annual Report-1975. (esa.int [PDF]).
  4. European Space Agency: Annual Report-1976. (esa.int [PDF]).
  5. European Space Agency: Annual Report-1982. (esa.int [PDF]).
  6. a b G Ferrand: Bulletin 85 - Météosat - un programme d'actualité. Abgerufen am 9. August 2023 (französisch).
  7. European Space Agency: Annual Report-1989. (esa.int [PDF]).
  8. Stefano Pessina: Operational optical data service for Geosynchronous satellites. 1st European Workshop on Space Flight Dynamics Services, Systems and Operations, abgerufen am 9. August 2023 (englisch).
  9. European Space Agency: Annual Report 1996. (esa.int [PDF]).
  10. European Space Agency: Annual Report-1997. (esa.int [PDF]).
  11. M. Warhaut, S. Matussi, P. Ferri: Cluster-II: Evolution of the Operations Concept. Hrsg.: European Space Agency. (esa.int [PDF]).
  12. Bundesgesetzblatt BGBl. Online-Archiv 1949 - 2022 | Bundesanzeiger Verlag. Abgerufen am 6. August 2023.
  13. Insolvenzverwalter will Druck machen. In: Echo. 6. Mai 2010, archiviert vom Original am 22. Februar 2014; abgerufen am 12. Februar 2014.
  14. Bauausschuss schaut sich verwaiste frühere ESA-Station an. In: Echo. 2. Juni 2010, archiviert vom Original am 22. Februar 2013; abgerufen am 12. Februar 2013.
  15. NTS Nachrichtentechnische Systementwicklungs-GmbH, München. Abgerufen am 9. August 2023.
  16. Jana Weiß-Odenwälder Journal: Zukunft der ESOC-Bodenstation in Michelstadt-Rehbach gesichert - Odenwälder Journal. 31. März 2022, abgerufen am 9. August 2023 (deutsch).
  17. Howard Nye: European Space Operations Centre Das Europäische Satellitenkontrollzentrum. BR-110. Hrsg.: European Space Agency. (esa.int [PDF]).

Koordinaten: 49° 42′ 43″ N, 8° 58′ 19″ O