Eidgenössische Volksinitiative «Zersiedelung stoppen – für eine nachhaltige Siedlungsentwicklung (Zersiedelungsinitiative)»

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Die Eidgenössische Volksinitiative «Zersiedelung stoppen – für eine nachhaltige Siedlungsentwicklung», kurz auch Zersiedelungsinitiative genannt, war eine schweizerische Volksinitiative. Sie wollte die Zersiedelung stoppen, indem die Bauflächen nicht hätten weiter vergrössert werden dürfen. Neueinzonungen hätten durch Rückzonungen an einem anderen Ort kompensiert werden müssen. Weiter sollte das Bauen ausserhalb der Bauzonen stärker geregelt und nachhaltige Siedlungsentwicklung gefördert werden. Initianten waren die Jungen Grünen Schweiz. Die Initiative wurde mit 113'216 gültigen Unterschriften am 21. Oktober 2016 eingereicht.[1] Am 10. Februar 2019 kam sie zur Abstimmung und wurde von Volk und Ständen abgelehnt.

Entstehung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Während der Vernehmlassung zur zweiten Revisionsetappe des Raumplanungsgesetzes (RPG) stellten die Initianten fest, dass auch das neue Gesetz zu einem ungenügenden Schutz des Kulturlandes führe und die Zersiedelung ungebremst voranschreiten werde.[2] Dabei kritisierten die Initianten besonders die Regelung, dass es «keine Limite für Einzonungen gebe». Zwar werde einmal eingezont für den auf 15 Jahre prognostizierten Bedarf, sobald die Fläche überbaut sei, könne aber einfach neues Land eingezont werden. Mit einem Einzonungsstopp wollen die Initianten erreichen, dass mit dem Land nachhaltig umgegangen wird. Deshalb wurde am 20. April 2015 die Initiative lanciert.[3]

Die Initiative wurde am 21. Oktober 2016 eingereicht. Am 29. November 2016 erklärte die Bundeskanzlei die Initiative mit 113'216 gültigen Unterschriften als zustande gekommen.[4]

Initiativtext[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Bundesverfassung wird wie folgt geändert:
Art. 75 Abs. 4–7
4 Bund, Kantone und Gemeinden sorgen im Rahmen ihrer Zuständigkeiten für günstige Rahmenbedingungen für nachhaltige Formen des Wohnens und Arbeitens in kleinräumigen Strukturen mit hoher Lebensqualität und kurzen Verkehrswegen (nachhaltige Quartiere).
5 Anzustreben ist eine Siedlungsentwicklung nach innen, die im Einklang steht mit hoher Lebensqualität und besonderen Schutzbestimmungen.
6 Die Ausscheidung neuer Bauzonen ist nur zulässig, wenn eine andere unversiegelte Fläche von mindestens gleicher Grösse und vergleichbarem potenziellem landwirtschaftlichem Ertragswert aus der Bauzone ausgezont wird.
7 Ausserhalb der Bauzone dürfen ausschliesslich standortgebundene Bauten und Anlagen für die bodenabhängige Landwirtschaft oder standortgebundene Bauten von öffentlichem Interesse bewilligt werden. Das Gesetz kann Ausnahmen vorsehen. Bestehende Bauten geniessen Bestandesgarantie und können geringfügig erweitert und geringfügig umgenutzt werden.

Behandlung der Initiative[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Bundesrat beantragte der Bundesversammlung mit seiner Botschaft vom 11. Oktober 2017, die Initiative Volk und Ständen zur Ablehnung zu empfehlen. Das von der Initiative verlangte generelle und unbefristete Einfrieren der Bauzonenfläche nehme keine Rücksicht auf kantonale und regionale Unterschiede. Es benachteilige diejenigen Kantone, die haushälterisch mit dem Boden umgegangen seien. In gewissen Gegenden bestünde die Gefahr einer nicht mehr vertretbaren Baulandverknappung, was ein ausgeprägtes Ansteigen der Grundstückspreise mit allen negativen Begleiterscheinungen (z. B. höhere Wohn- und Gewerbekosten) nach sich ziehen würde.[5]

Die Eidgenössischen Räte folgten dem Antrag des Bundesrates. Im Nationalrat wurde ein Antrag für einen direkten Gegenentwurf zur Initiative, welcher sich gegenüber der Initiative darauf beschränken wollte, dass die Fläche von Bauten und Anlagen ausserhalb der Bauzonen nicht zunehmen darf, mit 146 gegen 44 Stimmen abgelehnt. Der Bundesbeschluss vom 15. Juni 2018, mit welchem die Bundesversammlung Volk und Ständen die Ablehnung der Initiative empfahl, wurde vom Nationalrat mit 143 zu 37 Stimmen bei 18 Enthaltungen und vom Ständerat mit 34 zu 3 Stimmen bei 7 Enthaltungen angenommen. Für die Initiative stimmten im Nationalrat die Grüne Fraktion und eine Mehrheit der Sozialdemokratischen Fraktion, dagegen die bürgerlichen Fraktionen; eine Minderheit der Sozialdemokratischen Fraktion enthielt sich der Stimme.[6]

Meinungsumfragen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Institut Auftraggeber Datum Ja Eher Ja Unentschieden
Keine Antwort
Eher Nein Nein
LeeWas GmbH[7] Tamedia 25. Januar 2019 32 5 1 5 57
gfs.Bern[8] SRG SSR 20. Januar 2019 31 16 4 12 37
LeeWas GmbH[9] Tamedia 11. Januar 2019 38 14 2 8 38
LeeWas GmbH[10] Tamedia 21. Dezember 2018 40 14 2 8 36
gfs.Bern[11] SRG SSR 9. Dezember 2018 35 28 8 14 15

Bemerkungen: Angaben in Prozent. Das Datum bezeichnet den mittleren Zeitpunkt der Umfrage, nicht den Zeitpunkt der Publikation der Umfrage.

Abstimmung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ergebnisse nach Kantonen

Die Initiative kam am 10. Februar 2019 zur Abstimmung und scheiterte am Volksmehr und am Ständemehr.[12][13] Sie wurde mit knapp zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen abgelehnt. Die Stimmbeteiligung lag bei 37,4 Prozent.[14]

  • Ja (0 0/2 Stände)
  • Nein (20 6/2 Stände)
  • Zersiedelungsinitiative – vorläufige amtliche Endergebnisse[15]
    Kanton Ja (%) Nein (%) Beteiligung (%)
    Kanton Aargau Aargau 33,6 66,4 34,0
    Kanton Appenzell Ausserrhoden Appenzell Ausserrhoden 36,7 63,3 37,1
    Kanton Appenzell Innerrhoden Appenzell Innerrhoden 28,1 71,9 33,7
    Kanton Basel-Landschaft Basel-Landschaft 36,5 63,5 37,7
    Kanton Basel-Stadt Basel-Stadt 46,5 53,5 47,1
    Kanton Bern Bern 35,0 65,0 37,8
    Kanton Freiburg Freiburg 38,0 62,0 33,5
    Kanton Genf Genf 47,7 52,3 43,8
    Kanton Glarus Glarus 36,1 63,9 27,5
    Kanton Graubünden Graubünden 28,1 71,9 32,6
    Kanton Jura Jura 38,4 61,6 29,9
    Kanton Luzern Luzern 33,7 66,3 37,1
    Kanton Neuenburg Neuenburg 46,2 53,8 32,3
    Kanton Nidwalden Nidwalden 24,3 75,7 37,6
    Kanton Obwalden Obwalden 24,2 75,8 39,2
    Kanton Schaffhausen Schaffhausen 40,6 59,4 61,4
    Kanton Schwyz Schwyz 26,2 73,8 39,7
    Kanton Solothurn Solothurn 36,2 63,8 34,7
    Kanton St. Gallen St. Gallen 33,5 66,5 35,5
    Kanton Tessin Tessin 41,8 58,2 32,4
    Kanton Thurgau Thurgau 33,4 66,6 40,0
    Kanton Uri Uri 30,2 69,8 33,3
    Kanton Waadt Waadt 37,1 62,9 38,2
    Kanton Wallis Wallis 21,3 78,7 43,2
    Kanton Zug Zug 30,5 69,5 42,0
    Kanton Zürich Zürich 40,0 60,0 40,2
    Eidgenössisches Wappen ÜÜÜSchweizerische Eidgenossenschaft 36,3 63,7 37,4

    Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

    Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

    1. Bundeskanzlei BK: Eidgenössische Volksinitiative «Zersiedelung stoppen – für eine nachhaltige Siedlungsentwicklung (Zersiedelungsinitiative)». (admin.ch [PDF; abgerufen am 21. November 2018]).
    2. Zersiedelungsinitiative offiziell zustande gekommen. In: www.zersiedelung-stoppen.ch. Archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 22. November 2018; abgerufen am 21. November 2018.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.zersiedelung-stoppen.ch
    3. Zersiedelungsinitiative heute lanciert. Abgerufen am 21. November 2018.
    4. Bundeskanzlei: Eidgenössische Volksinitiative 'Zersiedelung stoppen – für eine nachhaltige Siedlungsentwicklung (Zersiedelungsinitiative)'. Archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 22. November 2018; abgerufen am 21. November 2018.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.admin.ch
    5. Bundesrat: Botschaft zur Volksinitiative «Zersiedelung stoppen – für eine nachhaltige Siedlungsentwicklung (Zersiedelungsinitiative)». In: Bundesblatt. Abgerufen am 30. Januar 2022.
    6. 17.063 Zersiedelung stoppen - für eine nachhaltige Siedlungsentwicklung (Zersiedelungsinitiative). Volksinitiative. In: Geschäftsdatenbank Curia Vista (mit Links auf Botschaft des Bundesrates, Verhandlungen des Parlaments und weitere Parlamentsunterlagen). Parlamentsdienste, abgerufen am 30. Januar 2022.
    7. https://www.tamedia.ch/tl_files/content/Group/PDF%20Files/Deutsch/Bericht_3Welle_AbstFeb.pdf
    8. https://www.gfsbern.ch/de-ch/Detail/vorabstimmungsanalyse-zur-eidg-abstimmung-vom-10-februar-2019-15
    9. https://www.tamedia.ch/tl_files/content/Group/PDF%20Files/Deutsch/Bericht_2Welle_AbstFeb19.pdf
    10. https://www.tamedia.ch/tl_files/content/Group/PDF%20Files/Franzoesisch/Bericht_1Welle_AbstFeb19.pdf
    11. https://www.gfsbern.ch/de-ch/Detail/vorabstimmungsanalyse-zur-eidg-abstimmung-vom-10-februar-2019
    12. Bundesrat: Abstimmungsvorlage für den 10. Februar 2019. Abgerufen am 21. November 2018.
    13. Die Zersiedelungsinitiative scheitert deutlich. In: nzz.ch. Neue Zürcher Zeitung, 10. Februar 2019, abgerufen am 10. Februar 2019.
    14. tagesschau.de: Keine Beschränkung von Bauland in der Schweiz. Abgerufen am 10. Februar 2019.
    15. Volksinitiative vom 21.10.2016 «Zersiedelung stoppen - für eine nachhaltige Siedlungsentwicklung (Zersiedelungsinitiative)». Schweizerische Bundeskanzlei, abgerufen am 10. Februar 2019.