Friedhof Am Wehl

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Vorplatz des Friedhofs
Schriftzug am Haupteingang: Waldfriedhof Am Wehl

Der Friedhof „Am Wehl“ ist ein Waldfriedhof in Hameln, der mit einer Fläche von 31 Hektar der größte Friedhof der Stadt ist.

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Name des Friedhofs leitet sich vom Dorf Wehle ab, das sich ab dem 14. Jahrhundert in diesem Bereich befand[1] und später wüst fiel. Das Gebiet im Umfeld der Dorfwüstung wird als Wehl bezeichnet. Während des Ersten Weltkriegs bestand in dem Bereich ein größeres Kriegsgefangenenlager. Am Lager wurde in dieser Zeit ein Friedhof angelegt, der lange als Russenfriedhof bezeichnet wurde. Auf ihm sind mehr als 700 russische, serbische und belgische Soldaten bestattet, die im Lager verstorben waren.

Im Jahr 1934, während der Zeit des Nationalsozialismus, begann die Anlage des Friedhofs, die damals als „erste große Arbeitsschlacht“ der Stadt Hameln bezeichnet wurde. 1938 erfolgte die Einweihung des städtischen Friedhofs, zu dem eine Kapelle mit Pfarrzimmer, eine Leichenhalle und ein Verwalterwohnhaus mit Wirtschaftsteil gehörten.[2]

Beschreibung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bereich der jüdischen Begräbnisstätten
Gräber von Opfern der Luftangriffe auf Hameln im Zweiten Weltkrieg
Soldatengräber des Zweiten Weltkriegs

Auf dem Friedhof sind bekannte Familien und Persönlichkeiten der Hamelner Stadtgeschichte beigesetzt. Darüber hinaus gibt es ein Grabfeld für islamische Bestattung, ein Grabfeld für Sternenkinder und ein Grabfeld für jüdische Bestattungen.

Das Friedhofsgelände weist einen Wechsel zwischen Offenlandschaft und waldähnlichen Strukturen auf, so dass eine Pflanzenvielfalt herrscht und das Gelände für viele Tiere einen geeigneten Lebensraum bietet. Auf dem Friedhof sind mehrere Fledermausarten nachgewiesen, wie Großer Abendsegler, Zwergfledermaus, Bartfledermaus, Breitflügelfledermaus, Bechsteinfledermaus und Braunes Langohr. Seitens der Friedhofsverwaltung wurden Fledermauskästen angebracht.

Gräber aus Kriegs- und Nachkriegszeiten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Friedhof ist Kriegsgräberstätte für mehr als 1800 Kriegsopfer beider Weltkriege. Darunter sind rund 700 russische, serbische und belgische Soldaten aus der Zeit des Ersten Weltkriegs auf dem Gräberfeld für die Kriegsgefangenen des Ersten Weltkrieges[3], 300 Zwangsarbeiter aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs, zumeist aus Polen und Russland, auf dem Gräberfeld für ausländische Kriegsopfer des Zweiten Weltkrieges,[4] 195 zivile Opfer der Luftangriffe auf Hameln auf dem Gräberfeld für deutsche Bombenopfer,[5] 200 deutsche Soldaten, die bei der Verteidigung von Hameln gefallen sind[6] und 390 männliche Insassen des Zuchthauses Hameln auf dem Gräberfeld für die Toten des Zuchthauses Hameln im Zweiten Weltkrieg[7]

Im Hamelner Gefängnis wurden ab dem 13. Dezember 1945 bis 1949 von der britischen Besatzungsmacht 201 Personen hingerichtet; davon 156 als Kriegsverbrecher. Von diesen waren 82 in den Hamburger Curiohaus-Prozessen verurteilt worden. Darunter waren auch die im Rahmen des Bergen-Belsen-Prozesses Verurteilten, die KZ-Aufseherinnen Irma Grese, Elisabeth Volkenrath und Johanna Bormann, der Lagerkommandant Josef Kramer, der KZ-Arzt Fritz Klein, Fritz Knöchlein und Bernhard Siebken. Weitere Hingerichtete waren KZ-Ärzte, KZ-Kapos, SS-Aufseherinnen und Kommandeure von SS-Einheiten (2. SS-Totenkopfregiment, SS-Division Totenkopf), wie Walter Sonntag. Die letzte Hinrichtung erfolgte am 6. Dezember 1949 an einer Displaced Person wegen Schusswaffengebrauchs mit Todesfolge.[8] Die Leichen wurden zunächst auf dem Zuchthausgelände, ab Mitte 1947 im Gräberfeld C III anonym bestattet. Alle Leichen vom Zuchthausgelände wurden umgebettet.

Für Rechtsradikale wurde der Friedhof zu einem Wallfahrtsort, an dem zum Beispiel im November 1985 die Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei eine Gedenkstunde abhielt und 2015 Mitglieder der Neonazi-Frauengruppe Düütsche Deerns Zweige, Kerzen und Steine mit den Namen von Hingerichteten niederlegten. Die Auflösung des Gräberfeldes wurde 1974 durch eine NPD-gestützte Bürgerinitiative verhindert. Die Einebnung erfolgte 1986 infolge von tätlichen Auseinandersetzungen auf dem Friedhof. Das benachbarte Gräberfeld C I mit NS-Opfern, die vor Kriegsende im Zuchthaus starben, wurde 1976 eingeebnet.[9][10]

Grabmäler (Auswahl)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Friedhof Am Wehl – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Hamelner Stadtwälder. (PDF; 4,39 MB) In: hameln.de. Tourist-Info Stadt Hameln, 2011, abgerufen am 8. Juli 2021.
  2. Bernhard Gelderblom: Wozu Geschichts- und Erinnerungstafeln für die Gräber der Kriegsopfer auf dem Friedhof Wehl? In: gelderblom-hameln.de. Abgerufen am 8. Juli 2021.
  3. Bernhard Gelderblom: Gräberfeld für die Kriegsgefangenen des Ersten Weltkrieges. In: gelderblom-hameln.de. Abgerufen am 8. Juli 2021.
  4. Bernhard Gelderblom: Gräberfeld für ausländische Kriegsopfer des Zweiten Weltkrieges bei Hamelns Geschichte – abseits vom Rattenfänger
  5. Bernhard Gelderblom: Gräberfeld für deutsche Bombenopfer bei Hamelns Geschichte – abseits vom Rattenfänger
  6. Bernhard Gelderblom: Die Gräber deutscher Soldaten bei Hamelns Geschichte – abseits vom Rattenfänger
  7. Bernhard Gelderblom: Gräberfeld für die Toten des Zuchthauses Hameln im Zweiten Weltkrieg bei Hamelns Geschichte – abseits vom Rattenfänger
  8. Bernhard Gelderblom: Die Hingerichteten in alphabetischer Reihenfolge (Memento vom 4. September 2019 im Internet Archive) bei Hamelns Geschichte – abseits vom Rattenfänger
  9. Die Hamburger Curiohaus-Prozesse - NS-Kriegsverbrechen vor britischen Militärgerichten. KZ-Gedenkstätte Neuengamme, Januar 2017, S. 60.
  10. Bernhard Gelderblom: Bestattungen auf dem Friedhof Wehl bei Hamelns Geschichte – abseits vom Rattenfänger

Koordinaten: 52° 7′ 44,1″ N, 9° 20′ 31,7″ O