Gänselatein

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Das sogenannte Gänselatein[1] ist eine in Bad Driburg / Westfalen beheimatete deutsche Sondersprache. Sie ist von Driburger Glashändlern entwickelt und gesprochen worden.

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Ursprünge des Gänselatein lassen sich nicht sicher ergründen. Die Entstehung der Glasherstellung und des Glashandels in Driburg im 16. Jahrhundert ist der frühest mögliche Zeitraum.[2] Mit dem Niedergang des Glashandels um die Mitte des 20. Jahrhunderts geht auch das Gänselatein allmählich zugrunde. Um 1940 wird es noch von vielen Driburgern beherrscht. Ende des 20. Jahrhunderts ist „diese merkwürdige Sprache fast erloschen“.[3]

Zur Sprache[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Sprachname ist durch die beherrschenden ä-, o- und äö-Laute motiviert, die an das Geschnatter von Gänsen erinnern. Die Driburger Glashändler haben das Gänselatein als Geheimsprache verwendet, wenn sie unterwegs waren, um ihre Waren aus den Waldglashütten des Eggegebirges in ihren Handelsgebieten im norddeutschen Raum zu vertreiben. Auch in der Heimat ist es gesprochen und in den 1930er Jahren schließlich in Karnevalsliedern folklorisiert worden, als Spielsprache und sprachliche Alternative zum Plattdeutschen der Region.[4]

Codierungsschlüssel[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Basis für die Verfremdung ist das in Driburg und Umgebung gesprochene Niederdeutsch. Das Verfahren der Codierung[5] ist folgendes: Konsonanten am Wortanfang werden an das Ende des Wortes gesetzt, -ai wird angehängt (Botter – Otterbai). Je nach den Betonungsverhältnissen der ersten Silbe (lang oder kurz) lautet der erste Vokal Äo- bzw. O- (Kerken – Äorkenkai / Bedde – Oddebai). Liegt der Ton nicht auf der ersten Silbe, wird die Codierung auf die betonte Silbe verlagert (Kartuffeln – Karoffelntai). Nicht alle Wörter eines plattdeutschen Satzes wurden verfremdet. Von der Codierung ausgenommen waren Artikel, Pronomen, Präpositionen und Konjunktionen.

Ähnlich wie das Driburger Gänselatein verfahren die Hamburger Kedelkloppersprook[6] und das Frammersbacher Welschen.[7][8]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Georg Böddecker: Das Driburger Gänselatein. Anmerkungen zu einer fast vergessenen Geheimsprache. In: Klaus Siewert (Hrsg.): Geheimsprachen in Westfalen. 1. Auflage. Band 3. Geheimsprachen Verlag, Hamburg / Münster 2017, ISBN 978-3-939211-18-1, S. 333–341.
  • Elke Grautmann: Das Bad Driburger Gänselatein und verwandte Sondersprachen (unveröffentlichte Staatsarbeit Münster 2002).
  • Klaus Siewert: Die Kedelkloppersprook. Geheimsprache aus dem Hamburger Hafen. Mit einer CD. 1. Auflage 2002; 2. erweiterte Auflage 2009. Geheimsprachen Verlag, Hamburg/Münster, ISBN 978-3-00-009948-9.

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Georg Böddecker: Das Driburger Gänselatein. Anmerkungen zu einer fast vergessenen Geheimsprache. 2017, S. 333–341.
  2. Georg Böddecker: Das Driburger Gänselatein. Anmerkungen zu einer fast vergessenen Geheimsprache. 2017, S. 336.
  3. Georg Böddecker: Das Driburger Gänselatein. Anmerkungen zu einer fast vergessenen Geheimsprache. 2017, S. 335.
  4. Georg Böddecker: Das Driburger Gänselatein. Anmerkungen zu einer fast vergessenen Geheimsprache. 2017, S. 335 ff.
  5. Georg Böddecker: Das Driburger Gänselatein. Anmerkungen zu einer fast vergessenen Geheimsprache. 2017, S. 338–340.
  6. Klaus Siewert: Die Kedelkloppersprook. Geheimsprache aus dem Hamburger Hafen. 2. Auflage. 2009, S. 30–33.
  7. Forschung über das Welschen. 10. Oktober 2002, ehemals im Original (nicht mehr online verfügbar); abgerufen am 8. Oktober 2020.@1@2Vorlage:Toter Link/www.mainpost.de (Seite nicht mehr abrufbar. Suche in Webarchiven)
  8. Josef Lindner: Die Geheimsprache Welschen lebt wieder auf. Bayerischer Rundfunk, 17. Mai 2023, abgerufen am 28. Mai 2023.