Gefängnistagebuch

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Ein Gefängnistagebuch (auch Gefangenentagebuch) ist ein Tagebuch, das während des Aufenthaltes in einem Gefängnis entstanden ist. Es liefert Aufschlüsse über die Insassen und die Bedingungen, unter denen sie inhaftiert sind. Autoren können neben den Gefangenen selbst auch Aufseher sein, die über die Gefangenen schreiben.[1] Gefängnistagebücher zählen im weiteren Sinne zur Gefangenenliteratur bzw. Gefängnisliteratur.

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Berühmte literarische Werke sind das Gefängnistagebuch von Luise Rinser mit heimlich in der Zelle eines nationalsozialistischen Frauengefängnisses gemachten Aufzeichnungen oder das Gefängnistagebuch von Hồ Chí Minh, das auf Chinesisch verfasste Gedichte enthält, die er während seiner Gefangenschaft im China unter Chiang Kai-shek verfasst hat.[2]

In einer Besprechung der Aufzeichnungen aus dem Gefängnis von Can Dündar werden Gefängnistagebücher als ein Literaturgenre definiert, „auf das man gerne verzichten könnte - wenngleich sie meist Dinge in unvergleichlicher Schärfe und Klarsichtigkeit verhandeln. Traurig, dass dieses Genre weiter Zuwachs erfährt.“[3]

Aus dem Polizeigewahrsam in Istanbul schreibt Deniz Yücel im Februar 2017: »Dieser Ort […] hat keine Erinnerung. Alle, die ich hier kennengelernt habe – kurdische Aktivisten, Makler, Katasterbeamte, festgenommene Richter und Polizisten, Gangster – alle haben mir gesagt: ›Du musst das aufschreiben, Deniz Abi.‹ Ich habe gesagt: ›Logisch, mach ich. Ist schließlich mein Job. Wir sind ja nicht zum Spaß hier.‹«[4][5]

Die Zeit der Gefangenschaft wurde auf vielfältige Weise literarisch verarbeitet. Zu deren Zeugnissen zählen unter anderem Nelson Mandelas Briefe von der Gefängnisinsel Robben Island mit ihrer poetischen Kraft und Schönheit, Alexander Solschenizyns Archipel Gulag, der ein vernichtendes Zeugnis über Stalins Zwangsarbeitslager ausstellt, und Jeffrey Archers Gefängnistagebücher (A Prison Diary), die einen emotionalen Einblick in die harte, seelenzerstörende Existenz der Männer im Belmarsh-Gefängnis geben.[6]

Der Unternehmer und Oligarch Michail Chodorkowski veröffentlichte 2014 Meine Mitgefangenen (russisch Тюремные люди) über die russische Justiz.[7]

Auswahl von Gefängnistagebüchern[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Auswahl ist alphabetisch nach Autoren bzw. Herausgebern sortiert.

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. z. B. Yannis Papathanassiou: Prison Diary: Korydallos 1975-79.
  2. chinesisch 獄中日記 - vgl. Phuong Thuy: Menschlichkeit und revolutionärer Optimismus von “Gefängnis-Tagebuch.” Stimme Vietnams, 21. September 2013.
  3. Gefängnis-Aufzeichnungen aus der Türkei. Kleine Zeitung, 26. September 2016.
  4. Deniz Yücel: Wir sind ja nicht zum Spaß hier: Reportagen, Satiren und andere Gebrauchstexte. Nautilus Flugschrift, 2018.
  5. vgl. auch Deniz Yücel: Propaganda ist kein Journalismus. Aber gleich verbieten? Die Welt, 2. März 2022.
  6. vgl. Suzanne Breen: Prison diaries are purely a celebration of self. Belfast Telegraph, 22. August 2016 (englisch).
  7. Michail Chodorkowski: Meine Mitgefangenen. Innenansichten eines Unrechtssystems. Galiani Verlag, Berlin 2014. ISBN 978-3-86971-089-1.
  8. deutsch Gefängnistagebuch.
  9. Andersonville Prison-Civil War: Overview. Gale Family Library, abgerufen am 31. Mai 2022 (englisch).
  10. Andrej Dynko: Tagebuch aus einem Minsker Gefängnis. M100 Sanssouci Colloquium, 28. November 2021.
  11. The Prison Diary of William Jordan Flake. Edited by David Boone and Chad J. Flake. The Journal of Arizona History 1983, S. 145–170 (englisch).
  12. William Jordan Flake diary
  13. Anne Schwan: ‘Bless the Gods for my pencils and paper’: Katie Gliddon's prison diary, Percy Bysshe Shelley and the suffragettes at Holloway. Women's History Review 2012, S. 148–167 (englisch).
  14. Leseecke - Russische Kurzgeschichten, Gedichte und Lieder. russian-online.net, abgerufen am 1. Juni 2022.
  15. Aus einem Alphabet der Gewalterfahrung. Eine Textmontage aus den Beständen der Österreichischen Exilbibliothek. Zusammengestellt von Veronika Zwerger und Thomas Ballhausen. engagée Heft 4 Gewalt, S. 57.
  16. Magnitsky’s diaries from pre-trial detention (“On the conditions of detainment in Butyrka”) - russian-untouchables.com
  17. Lisbeth Exner: Rache an Revolutionären: Wie die Aufständischen von 1918/19 bestraft wurden. Bayerischer Rundfunk, 2. Mai 2019.
  18. „Ich kämpfe gegen alles, was mich niederdrücken will.“ Das Tagebuch des jüdisch-kommunistischen Widerstandskämpfers Karl Neuhof und der Briefwechsel seiner Familie – Buchvorstellung (Video-Mitschnitt verfügbar). Jüdisches Museum Berlin, 11. April 2022.
  19. Jane Wilkinson: A Writer’s Prison Diary. Ngũgĩ wa Thiong’o's 'Detained'. Africa: Rivista trimestrale di studi e documentazione dell'Istituto italiano per l'Africa e l'Oriente 1983, S. 613–623 (englisch).
  20. National Library of Australia Katalog, abgerufen am 2. Juni 2022.
  21. The prison diary of Muchtar Pakpahan. Inside Indonesia, 30. September 2007.
  22. Auszüge abgedruckt in Knut Boeser (Hrsg.): Der Fall Oskar Panizza. Ein deutscher Dichter im Gefängnis. Eine Dokumentation. Edition Hentrich, Berlin 1989, S. 85 ff.
  23. Greece: Posh Prison. 14. Januar 1980 (englisch).
  24. George Coats: Luxury behind bars for the jailed junta. The Bulletin, 22. Januar 1980 (englisch).
  25. 8. Dezember 1974: Referendum über die Staatsform in Griechenland. bpb, 3. Dezember 2019.
  26. Passio Sanctarum Perpetuae et Felicitatis. Das Martyrium der heiligen Perpetua und Felicitas. Text und Übersetzung, in: Peter Habermehl (Hrsg.): Perpetua und der Ägypter oder Bilder des Bösen im Frühen Afrikanischen Christentum. Versuch zur Passio Sanctarum Perpetuae et Felicitatis. Akademie-Verlag, Berlin 1992, S. 5–31. ISBN 3-05-001998-0.
  27. Basav Biradar: ‘Prison Diaries’: An intimate documentary on anti-Emergency activist Snehalatha Reddy. The News Minute, 31. Dezember 2019 (englisch).
  28. The Heartache of Separation. Too Many Springs, Too Many Winters. Abgerufen am 3. Juni 2022.
  29. DNB 575156562
  30. Albert Speer: Spandauer Tagebücher. Ungekürzte Ausgabe mit 156 Bilddokumenten. Abgerufen am 3. Juni 2022.