Inderit

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Inderit
Wasserklarer, fettglänzender Inderit aus dem Tagebau „U.S. Borax“ bei Boron, Kern County, Kalifornien, USA (Sichtfeld 20 mm)
Allgemeines und Klassifikation
IMA-Nummer

1962 s.p.[1]

IMA-Symbol

Idr[2]

Andere Namen

Lesserit (nach Frondel)[3]

Chemische Formel Mg[B3O3(OH)5]·5H2O[4][5]
Mineralklasse
(und ggf. Abteilung)
Borate (ehemals Nitrate, Carbonate und Borate)
System-Nummer nach
Strunz (8. Aufl.)
Lapis-Systematik
(nach Strunz und Weiß)
Strunz (9. Aufl.)
Dana

Vc/B.04
V/H.06-020

6.CA.15
26.03.01.03
Kristallographische Daten
Kristallsystem monoklin
Kristallklasse; Symbol monoklin-prismatisch; 2/m[6]
Raumgruppe P21/a (Nr. 14, Stellung 3)Vorlage:Raumgruppe/14.3[4]
Gitterparameter a = 12,04 Å; b = 13,11 Å; c = 6,82 Å
β = 104,5°[4]
Formeleinheiten Z = 4[4]
Häufige Kristallflächen {110}, {120}, {001}[7]
Physikalische Eigenschaften
Mohshärte 2,5 bis 3[8]
Dichte (g/cm3) gemessen: 1,80; berechnet: 1,794[7]
Spaltbarkeit vollkommen nach {010}, gut nach {110}[7]
Bruch; Tenazität muschelig bis uneben[9]
Farbe farblos bis weiß, rosa, grünlichgelb, hellrot[8]
Strichfarbe weiß[8]
Transparenz durchsichtig bis durchscheinend[7]
Glanz Glasglanz bis Fettglanz oder matt, Perlglanz auf Spaltflächen[7]
Kristalloptik
Brechungsindizes nα = 1,488[10]
nβ = 1,491[10]
nγ = 1,505[10]
Doppelbrechung δ = 0,017[10]
Optischer Charakter zweiachsig positiv
Achsenwinkel 2V = 37° (gemessen); 52° (berechnet)[10]

Inderit ist ein selten vorkommendes Mineral aus der Mineralklasse der „Borate“ (ehemals Nitrate, Carbonate und Borate) mit der chemischen Zusammensetzung Mg[B3O3(OH)5]·5H2O[4] und damit chemisch gesehen ein wasserhaltiges Magnesiumborat.

Inderit kristallisiert im monoklinen Kristallsystem und entwickelt oft langprismatische Kristalle mit fast quadratischem Querschnitt. Er kommt aber auch in Form faseriger bis nadeliger, nierig-knolliger oder massiger Mineral-Aggregate vor. In reiner Form ist das Mineral farblos und durchsichtig mit glas- bis fettähnlichem Glanz auf den Oberflächen. Durch vielfache Lichtbrechung aufgrund von Gitterfehlern oder polykristalliner Ausbildung sowie durch Verlust von Kristallwasser kann er aber auch durchscheinend weiß sein und durch Fremdbeimengungen eine rosa, grünlichgelbe oder hellrote Farbe annehmen.

Mit einer Mohshärte von 2,5 bis 3 gehört Inderit zu den mittelharten Mineralen, die ähnlich wie das Referenzmineral Calcit (Härte 3) mit einer Kupfermünze ritzen lassen.

Etymologie und Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Satellitenbild vom namensgebenden Indersee

Entdeckt wurde das Mineral 1937 durch A. M. Boldyreva (russisch А. М. Болдыревой) in Mineralproben, die 1935 von D. I. Saweljew (russisch Д. И. Савельев) im Graben Nr. 7 der Bor-Lagerstätte Nr. 7[11] nahe dem Indersee im Gebiet Atyrau in Kasachstan[12] gesammelt wurde. Je. N. Jegorowa (russisch Е. Н. Егорова, wiss. Transliteration E. N. Egorova) führte die Analysen zur Bestimmung der chemischen Zusammensetzung durch. Benannt wurde Inderit nach dem nahe der Typlokalität gelegenen See.[13]

1956 beschrieben Clifford Frondel, Vincent Morgan und F. L. T. Waugh ein neues Borat-Mineral aus dem Tagebau bei Boron (Kern County) im US-Bundesstaat Kalifornien und bezeichneten es als Lesserit. Waldemar Theodore Schaller und Mary E. Mrose stellten jedoch 1960 bei genaueren Analysen fest, dass Lesserit mit Inderit identisch ist.[14]

Ein Aufbewahrungsort für das Typmaterial des Minerals ist bisher nicht dokumentiert (Stand 2021).[15]

Klassifikation[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In der veralteten 8. Auflage der Mineralsystematik nach Strunz gehörte der Inderit noch zur gemeinsamen Mineralklasse der „Nitrate, Carbonate und Borate“ und dort zur Abteilung der „Gruppenborate (Soroborate)“, wo er zusammen mit Meyerhofferit die „Inderit-Meyerhofferit-Gruppe“ mit der System-Nr. Vc/B.04 und den weiteren Mitgliedern Inderborit, Inyoit und Kurnakovit sowie im Anhang mit Ameghinit bildete.

Im zuletzt 2018 überarbeiteten und aktualisierten Lapis-Mineralienverzeichnis nach Stefan Weiß, das sich aus Rücksicht auf private Sammler und institutionelle Sammlungen noch nach dieser alten Form der Systematik von Karl Hugo Strunz richtet, erhielt das Mineral die System- und Mineral-Nr. V/H.06-20. In der „Lapis-Systematik“ entspricht dies ebenfalls der Abteilung „Gruppenborate“, wo Inderit zusammen mit Inderborit, Inyoit, Kurnakovit, Meyerhofferit und Solongoit eine eigenständige, aber unbenannte Gruppe bildet.[8]

Die seit 2001 gültige und von der International Mineralogical Association (IMA) zuletzt 2009 aktualisierte[16] 9. Auflage der Strunz’schen Mineralsystematik ordnet den Inderit dagegen in die jetzt eigenständige Klasse der „Borate“ und dort in die Abteilung der „Triborate“ ein. Diese ist zudem weiter unterteilt nach der Struktur der Boratkomplexe, so dass das Mineral entsprechend seinem Aufbau in der Unterabteilung „Insel-Triborate (Neso-Triborate)“ zu finden ist, wo es als einziges Mitglied die unbenannte Gruppe 6.CA.15 bildet.

Die vorwiegend im englischen Sprachraum gebräuchliche Systematik der Minerale nach Dana ordnet den Inderit wie die veraltete Strunz’sche Systematik in die gemeinsame Klasse der „Carbonate, Nitrate und Borate“ und dort in die Abteilung und gleichnamige Unterabteilung „Wasserhaltige Borate mit Hydroxyl oder Halogen“ ein. Hier ist er zusammen mit Inyoit und Inderborit in der unbenannten Gruppe 26.03.01 zu finden.

Kristallstruktur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Inderit kristallisiert monoklin in der Raumgruppe P21/a (Raumgruppen-Nr. 14, Stellung 3)Vorlage:Raumgruppe/14.3 mit den Gitterparametern a = 12,04 Å; b = 13,11 Å; c = 6,82 Å und β = 104,5° sowie 4 Formeleinheiten pro Elementarzelle.[4]

Eigenschaften[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Mattweiß angelaufener Inderit aus dem Tagebau „U.S. Borax“
(Länge des Vergleichsmaßstabs 1 Zoll (= 2,54 cm) mit Einkerbung bei einem Zentimeter)

Wird Inderit ungeschützt an der Luft aufbewahrt, verliert er mit der Zeit sein Kristallwasser und die Kristallflächen laufen mattweiß an. Der Vorgang kann allerdings rückgängig gemacht werden, indem man das Mineral einige Minuten in Wasser taucht.[17]

Modifikationen und Varietäten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Verbindung Mg[B3O3(OH)5]·5H2O ist dimorph und kommt in der Natur neben der monoklin kristallisierenden Modifikation Inderit noch als triklin kristallisierender Kurnakovit vor.[7]

Bildung und Fundorte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nahezu wasserklarer, doppelendiger Inderitkristall aus Boron, Kern County, Kalifornien, USA (Größe: 55 mm × 8 mm × 4 mm)

Inderit bildet sich sedimentär in lakustrischen Bor-Lagerstätten. Als Begleitminerale können unter anderem Hydroboracit (Indersee, Kasachstan), Kurnakovit (Sarıkaya, Türkei), Borax, Ulexit, Auripigment, Realgar (Boron, Kalifornien, USA) auftreten.

Als seltene Mineralbildung konnte Inderit nur an wenigen Fundorten nachgewiesen, wobei bisher (Stand 2013) etwa 15 Fundorte als bekannt gelten.[18] Seine Typlokalität Indersee ist dabei die bisher einzige bekannte Fundstätte in Kasachstan.

Weitere bisher bekannte Fundorte sind unter anderem die „Tincalayu Mine“ am Salzsee Salar del Hombre Muerto in Argentinien, die Salzseen in Da Qaidam (Qinghai) und Gê'gyai (Tibet) in China, die „Brosso Mine“ in der italienischen Gemeinde Lessolo (piemontesisch Léssoj), die Bor-Lagerstätte „Titovskoe“ in der Tas-Khayakhtakh-Gebirgskette in der ostsibirischen Republik Sacha (Jakutien) in Russland, die Bor-Lagerstätten bei Kırka und Sarıkaya (Yozgat) in der türkischen Region Zentralanatolien sowie das Grubenfeld „Hard Scramble“ nahe Ryan (Inyo County) in den Black Mountains und an mehreren Orten der Bor- bzw. Borax-Lagerstätte in der Umgebung von Boron (Kern County) im US-Bundesstaat Kalifornien.[19]

Die Lagerstätten in Boron sind zudem aufgrund außergewöhnlicher Inderitfunde mit bis zu 10 Zentimeter langen gut ausgebildeten Kristallen bekannt.[9] Es sollen aber auch schon bis zu 30 Zentimeter lange Inderitkristalle gefunden worden sein.[7]

Verwendung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Inderit wird neben Borax hauptsächlich als Bor-Erz für die chemische Industrie abgebaut.[9]

Gelegentlich wird er aber auch zu Sammlerzwecken in verschiedenen Schmuckstein-Schliffen angeboten. In faseriger Ausbildung und unter Verwendung des Cabochon-Schliffs kann Inderit auch den vor allem beim Tigerauge bekannten Katzenaugeneffekt zeigen.[20]

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • М. Н. Годлевский (Ленинград): Очерки но Минералогии Боратовых Месторождений Индерского Района. In: Записки Всероссийского Минералогического Общества. Band 66, Nr. 2, 1937, S. 315–344 (russisch, rruff.info [PDF; 3,9 MB; abgerufen am 2. August 2021] englische Übersetzung: M. N. Godlevsky: Mineralogical investigation of the Inder borate deposit. In: Zapiski Vserossijskogo Mineralogicheskogo Obshchestva).
  • W. F. Foshag: New mineral names. In: American Mineralogist. Band 23, 1938, S. 293–294 (englisch, rruff.info [PDF; 127 kB; abgerufen am 2. August 2021]).
  • C. Frondel, V. Morgan, J. L. T. Waugh: Lesserite, a new borate mineral. In: American Mineralogist. Band 41, Nr. 11–12, 1956, S. 927–928 (englisch, minsocam.org [PDF; 128 kB; abgerufen am 2. August 2021]).
  • Friedrich Klockmann: Klockmanns Lehrbuch der Mineralogie. Hrsg.: Paul Ramdohr, Hugo Strunz. 16. Auflage. Enke, Stuttgart 1978, ISBN 3-432-82986-8, S. 587 (Erstausgabe: 1891).
  • Hans Jürgen Rösler: Lehrbuch der Mineralogie. 4. durchgesehene und erweiterte Auflage. Deutscher Verlag für Grundstoffindustrie (VEB), Leipzig 1987, ISBN 3-342-00288-3, S. 731.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Inderite – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Malcolm Back, Cristian Biagioni, William D. Birch, Michel Blondieau, Hans-Peter Boja und andere: The New IMA List of Minerals – A Work in Progress – Updated: January 2023. (PDF; 3,7 MB) In: cnmnc.main.jp. IMA/CNMNC, Marco Pasero, Januar 2023, abgerufen am 26. Januar 2023 (englisch).
  2. Laurence N. Warr: IMA–CNMNC approved mineral symbols. In: Mineralogical Magazine. Band 85, 2021, S. 291–320, doi:10.1180/mgm.2021.43 (englisch, cambridge.org [PDF; 320 kB; abgerufen am 5. Januar 2023]).
  3. Lesserite. In: mindat.org. Hudson Institute of Mineralogy, abgerufen am 2. August 2021 (englisch).
  4. a b c d e Hugo Strunz, Ernest H. Nickel: Strunz Mineralogical Tables. Chemical-structural Mineral Classification System. 9. Auflage. E. Schweizerbart’sche Verlagsbuchhandlung (Nägele u. Obermiller), Stuttgart 2001, ISBN 3-510-65188-X, S. 342 (englisch).
  5. Malcolm Back, William D. Birch, Michel Blondieau und andere: The New IMA List of Minerals – A Work in Progress – Updated: July 2021. (PDF; 3,52 MB) In: cnmnc.main.jp. IMA/CNMNC, Marco Pasero, Juli 2021, abgerufen am 2. August 2021 (englisch).
  6. David Barthelmy: Inderite Mineral Data. In: webmineral.com. Abgerufen am 2. August 2021 (englisch).
  7. a b c d e f g Inderite. In: John W. Anthony, Richard A. Bideaux, Kenneth W. Bladh, Monte C. Nichols (Hrsg.): Handbook of Mineralogy, Mineralogical Society of America. 2001 (englisch, handbookofmineralogy.org [PDF; 68 kB; abgerufen am 2. August 2021]).
  8. a b c d Stefan Weiß: Das große Lapis Mineralienverzeichnis. Alle Mineralien von A – Z und ihre Eigenschaften. Stand 03/2018. 7., vollkommen neu bearbeitete und ergänzte Auflage. Weise, München 2018, ISBN 978-3-921656-83-9.
  9. a b c Petr Korbel, Milan Novák: Mineralien-Enzyklopädie (= Dörfler Natur). Edition Dörfler im Nebel-Verlag, Eggolsheim 2002, ISBN 978-3-89555-076-8, S. 131.
  10. a b c d e Inderite. In: mindat.org. Hudson Institute of Mineralogy, abgerufen am 2. August 2021 (englisch).
  11. Индерит. In: catalogmineralov.ru. Каталог Минералов, abgerufen am 2. August 2021 (Inderit im Mineralienkatalog Russland).
  12. Typlokalität „Inder B-Lagerstätte und Salzdom“ (auch Inder See). In: Mineralienatlas Lexikon. Geolitho Stiftung, abgerufen am 2. August 2021.
  13. E. Wm. Heinrich: A second discovery of Inderite. In: American Mineralogist. Band 31, Nr. 1–2, 1946 (englisch, minsocam.org [PDF; 297 kB; abgerufen am 2. August 2021]).
  14. Carl Hintze, Karl F. Chudoba: Handbuch der Mineralogie. Ergänzungsband 3: Neue Mineralien und neue Mineralnamen (mit Nachträgen, Richtigstellungen und Ergänzungen). Walter de Gruyter, Leipzig 1968, ISBN 3-11-082179-6, S. 494 (englisch, eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche [abgerufen am 2. August 2021]).
  15. Catalogue of Type Mineral Specimens – I. (PDF 95 kB) Commission on Museums (IMA), 9. Februar 2021, abgerufen am 2. August 2021.
  16. Ernest H. Nickel, Monte C. Nichols: IMA/CNMNC List of Minerals 2009. (PDF; 1,82 MB) In: cnmnc.main.jp. IMA/CNMNC, Januar 2009, abgerufen am 1. August 2021 (englisch).
  17. Rock Currier: Notiz des US-amerikanischen Mineralogen zum Bild eines weiß angelaufenen Inderitkristall-Aggregats. In: mindat.org. Abgerufen am 2. August 2021.
  18. Localities for Inderite. In: mindat.org. Hudson Institute of Mineralogy, abgerufen am 2. August 2021 (englisch).
  19. Fundortliste für Inderite beim Mineralienatlas und bei Mindat, abgerufen am 2. August 2021.
  20. Walter Schumann: Edelsteine und Schmucksteine. Alle Arten und Varietäten. 1900 Einzelstücke. 16., überarbeitete Auflage. BLV Verlag, München 2014, ISBN 978-3-8354-1171-5, S. 238.