Leberversagen
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Klassifikation nach ICD-10 | |
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K72.0 | Akutes und subakutes Leberversagen |
ICD-10 online (WHO-Version 2019) |
Als Leberversagen oder Leberinsuffizienz wird das Erlöschen bzw. die Abnahme mehrerer oder aller Leberfunktionen bezeichnet. Es ist die Folge einer akuten oder chronischen Lebererkrankung. Im engeren Sinn bezeichnet Leberversagen das akute Leberversagen (ALV). Dabei handelt es sich um ein seltenes, aber lebensbedrohliches Krankheitsbild mit plötzlichem Verlust der Leberfunktion ohne vorbestehende Lebererkrankung, gekennzeichnet durch die klinische Trias aus Gelbsucht (Ikterus), plasmatischer Gerinnungsstörung (Koagulopathie) und Bewusstseinsstörung (Enzephalopathie).[1] Abhängig vom zeitlichen Auftreten der Enzephalopathie werden ein hyperakutes, ein akutes und ein subakutes Leberversagen unterschieden. Die weltweit häufigsten Ursachen eines ALV sind virale Hepatitiden, die Paracetamolintoxikation und weitere medikamentenassoziierte Reaktionen. Abzugrenzen ist das ALV von dem akut-auf-chronischen Leberversagen („acute-on-chronic liver failure“, ACLF) bei Patienten mit vorbestehender Leberzirrhose.
Ursachen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Erste bedeutende Tierversuche zur wissenschaftlichen Erforschung der Leberfunktion wurden von 1885 bis 1888 von Oskar Minkowski und Bernhard Naunyn durchgeführt und publiziert.[2] Eine Abnahme der Leberfunktion bis hin zum Leberversagen kann sowohl akut im Rahmen von z. B. Vergiftungen oder Durchblutungsstörungen der Leber als auch chronisch bei Lebererkrankungen wie der Zirrhose auftreten. Als Ursachen eines akuten oder subakuten Leberversagens (genannt auch Leberdystrophie)[3][4][5] kommen in erster Linie akzidentelle Vergiftungen oder solche in suizidaler Absicht mit leberschädigenden Substanzen (zum Beispiel Paracetamol oder Paraquat) und Toxine wie jene des Knollenblätterpilzes (Amatoxine, Phallotoxine), virale Hepatiden[6] oder akute Gefäßverschlüsse (Pfortader, Lebervenen) in Frage.
Das akute Leberversagen kann neben Paracetamol seltener auch von psychotropen Arzneimitteln ausgelöst werden. Nennenswerte Meldungen in der Datenbank der Europäischen Arzneimittelagentur gibt es für Quetiapin, Carbamazepin, Lamotrigin und Valproinsäure.[7]
Zum chronischen Leberversagen führen Erkrankungen, die die Leber dauerhaft schädigen, wie chronische Hepatitis B und C, Alkoholabusus oder chronische Gefäßerkrankungen, die über eine Leberzirrhose zum Leberversagen führen.
Folgen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Das Leberversagen ist gekennzeichnet durch eine Abnahme der Synthese- und Entgiftungsfunktion.
- (hepatozellulärer[8]) Ikterus (Gelbsucht)
- hepatische Enzephalopathie bis hin zum hepatischen Koma
- hepatorenales Syndrom (Nierenversagen infolge eines Leberversagens)
- Störungen der Blutgerinnung
- Hypalbuminämie mit Aszites
- endokrine Störungen (Störungen des Hormonsystems)
Prognose
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Der Krankheitsverlauf des akuten Leberversagens ist gekennzeichnet durch die Ursache und abhängig von der Behandlung der Grunderkrankung wie Giftentfernung (Paracetamol, Pilzvergiftung) oder Wiederherstellung der Durchblutung.
Die Prognose des chronischen Leberversagens ist abhängig von dem Fortschreiten der Grunderkrankung.
Bei dem Auftreten eines akuten auf ein chronisches Leberversagen („acute-on-chronic liver failure“, ACLF), z. B. durch eine zusätzliche Durchblutungsstörung oder Virushepatitis bei schon vorhandener Leberzirrhose, ist die Prognose ungünstig.[9]
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Ali Canbay et al.: Akutes Leberversagen: Ein lebensbedrohliches Krankheitsbild. In: Deutsches Ärzteblatt International. Nr. 108(42), 2011, S. 714–720 (Übersichtsarbeit).
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Gerd Herold und Mitarbeiter: Innere Medizin 2020. Selbstverlag, Köln 2020, ISBN 978-3-9814660-9-6, S. 558.
- ↑ Paul Diepgen, Heinz Goerke: Aschoff/Diepgen/Goerke: Kurze Übersichtstabelle zur Geschichte der Medizin. 7., neubearbeitete Auflage. Springer, Berlin/Göttingen/Heidelberg 1960, S. 46.
- ↑ Vgl. Hans Adolf Kühn: Krankheiten der Leber. In: Ludwig Heilmeyer (Hrsg.): Lehrbuch der Inneren Medizin. Springer-Verlag, Berlin/Göttingen/Heidelberg 1955; 2. Auflage ebenda 1961, S. 847–875, hier: S. 861–863 (Akute und subakute Leberdystrophie).
- ↑ Anmerkung: Die so genannte akute gelbe Leberdystrophie heißt auch Icterus gravis oder Budd-Ikterus. Es kommt zum massiven Untergang von Leberzellen mit einem Leberzerfallskoma und mit einem schweren Ikterus bei fulminanter Hepatitis oder bei Vergiftungen. Die akute gelbe Leberdystrophie ist fast immer tödlich; bei einer Ausheilung kommt es zur Narbenleber (Kartoffelleber). Quelle: Heinz Walter, Günter Thiele (Hrsg.): Reallexikon der Medizin und ihrer Grenzgebiete, 4. Band, Urban & Schwarzenberg, München / Berlin / Wien 1971, ISBN 3-541-84004-8, S. L 52.
- ↑ Die Leberdystrophie wird oft mit der akuten Lebernekrose (Leberzellnekrose) gleichgesetzt. Die akute Lebernekrose ist die akute gelbe Leberdystrophie. Quelle: Peter Reuter: Springer Klinisches Wörterbuch 2007/2008. Springer-Verlag, Heidelberg 2007, ISBN 978-3-540-34601-2, S. 1030 f. In der neueren Fachliteratur spricht man beim massiven Leberzellzerfall von der akuten gelben Atrophie. Quelle: Tinsley Randolph Harrison: Harrisons Innere Medizin. 20. Auflage, Georg Thieme Verlag, Berlin 2020, ISBN 978-3-13-243524-7, Band 3, S. 2926. Dabei gilt die Leberdystrophie als die schwere Form der Leberatrophie (Leberschwund). Quelle: Brockhaus Enzyklopädie in 24 Bänden. 19. Auflage, 13. Band, Verlag Friedrich Arnold Brockhaus, Mannheim 1990, ISBN 3-7653-1113-8, S. 186 f.
- ↑ Silke Göldnitz: Zustand: äußerst kritisch. In: intensiv. 24. Jahrgang, Nr. 02, 7. März 2016, ISSN 0942-6035, S. 87–89, S 87, doi:10.1055/s-0041-111127 (thieme-connect.de [abgerufen am 21. August 2023]).
- ↑ P. Schweikert-Wehner: Akutes Leberversagen durch psychotropische Arzneimittel. In: Deutscher Hausärzteverband e. V. (Hrsg.): Der Hausarzt. mm medizin + medien Verlag GmbH, 5. April 2023, ISSN 1434-8950, S. 54, 55.
- ↑ Hans von Haberer: Lebenswichtige, dringliche Operationen in der Bauchhöhle! In: Münchener Medizinische Wochenschrift. Band 95, Nr. 1, 2. Januar 1953, S. 61–69, hier: S. 68.
- ↑ Ärztezeitung: ACLF mit schlechter Prognose, [1], vom 19. Juli 2016, abgerufen am 12. Juni 2020.