Lengericher Conclusum

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Das Lengericher Conclusum (von lateinisch conclusum „Beschluss“) war eine am 10. und 11. Juli 1645 in Lengerich getroffene Vereinbarung in Vorbereitung der Verhandlungen, die 1648 schließlich zum Westfälischen Frieden führten.[1] Die Vertreter des Kaisers und die Vertreter von vier Kurfürsten (Köln, Mainz, Brandenburg und Bayern) verständigten sich darauf, dass zum bevorstehenden Friedenskongress zur Beendigung des Dreißigjährigen Krieges alle deutschen Reichsstände eingeladen werden sollen.

Vorgeschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im Hamburger Präliminarfrieden hatte sich Kaiser Ferdinand III. mit Schweden und Frankreich darauf geeinigt, Friedensverhandlungen aufzunehmen, und zwar an zwei Orten: in Münster als Tagungsort vor allem der katholischen Gesandten und in Osnabrück als Tagungsort vor allem der evangelischen Gesandten. Zahlreiche Fragen waren allerdings noch ungeklärt, nicht zuletzt die Frage, wer das Reich bei den Verhandlungen vertreten solle:

Letzteres forderten – auf Drängen der Landgräfin Amalie Elisabeth von Hessen-Kassel – auch Schweden und Frankreich.[2] Der Kaiser hingegen war bestrebt, den Teilnehmerkreis möglichst klein zu halten und so zu verhindern, dass auch Fragen nach dem Verhältnis zwischen dem Kaiser und den Fürsten und damit nach der Verfassung des Reiches auf die Tagesordnung gerieten. Die Frage des Teilnehmerkreises war zu entscheiden, bevor die eigentlichen Friedensverhandlungen beginnen konnten.

Lengerich als Treffpunkt der Diplomaten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der damalige Marktflecken Lengerich bot sich aus mehreren Gründen als Treffpunkt der Diplomaten an:

  • Ein Tagungsort außerhalb der beiden Kongressstädte ermöglichte ein Gespräch ohne unmittelbare Beeinflussung seitens der mehrheitlich katholischen Stände in Münster oder der mehrheitlich evangelischen Stände in Osnabrück.[3]
  • Lengerich lag loco intermedio (lateinisch für „auf halber Strecke“) an der Handelsstraße zwischen den beiden Verhandlungsstädten Münster und Osnabrück und war von beiden in einem halben Tag zu erreichen.[4]
  • Lengerich gehörte zur neutralen Grafschaft Tecklenburg.
  • Lengerich war im Krieg von größeren Zerstörungen verschont geblieben. Es gab ausreichende Unterkünfte für die Gesandten.

Deshalb hatte in Lengerich bereits 24. Mai 1645 ein erstes Vorgespräch stattgefunden.

Ungewiss ist, in welchem Haus in Lengerich die Verhandlungen zum Conclusum stattfanden. In der örtlichen Überlieferung werden dazu drei verschiedene Häuser genannt, außerdem die Kirche.[5]

Auch nach dem Conclusum gab es in Lengerich am 16. und 17. August 1646, am 18. und 19. Oktober 1646 sowie am 8. November 1646 weitere Zusammenkünfte von Gesandten.[6] Zudem ergaben sich in Lengerich zuweilen diplomatische Gespräche, wenn sich dort Gesandte auf der Reise zwischen den beiden Verhandlungsstädten begegneten.[3]

Das Conclusum[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Verhandlungen, die zum Conclusum führten, fanden am 10. und 11. Juli 1645 statt. Der kleine Teilnehmerkreis beschränkte sich auf Vertreter der vier kurfürstlichen Gesandtschaften und der beiden kaiserlichen Gesandtschaften in Münster und in Osnabrück. Das Ergebnis, das Conclusum, war ein ausführliches Gutachten an den Kaiser,[7] in dem die kurfürstlichen Gesandten dem Kaiser empfahlen, alle Reichsstände zu den Friedensverhandlungen einzuladen.[8] Da mehr und mehr Reichsstände von ihm abrückten und da sich nach dem schwedischen Sieg in der Schlacht bei Jankau am 6. März 1645 die militärische Lage der Kaiserlichen verschlechtert hatte, gab der Kaiser seinen Widerstand gegen die Zulassung der Reichsstände auf, folgte dem Conclusum und lud die Reichsstände am 29. August 1645 zum Friedenskongress ein.[9]

Folgen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Infolge des Lengericher Conclusums waren in Münster und Osnabrück erstmals in der europäischen Geschichte nicht nur die Kriegsparteien, sondern auch die nicht kriegsführenden, jedoch vom Krieg betroffenen Parteien an Friedensverhandlungen. Das Lengericher Conclusum machte den Weg frei zur Aufnahme ernsthafter Friedensverhandlungen und damit für den Westfälischen Frieden von 1648.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

in der Reihenfolge des Erscheinens

  • Max Braubach, Konrad Repgen (Hrsg.): Acta Pacis Westphalicae, Serie 3: Protokolle, Verhandlungsakten, Diarien, Varia, Abteilung A: Protokolle, Band 1: Die Beratungen der kurfürstlichen Kurie, Teilband 1: 1645–1647, bearbeitet von Winfried Becker. Aschendorffsche Verlagsbuchhandlung, Münster 1975, ISBN 3-402-05023-4.
  • Gert Schumann: Die Geschichte der Stadt Lengerich, Band 1: Von den Anfängen bis zur Stadtwerdung 1727. Kleins Druck- und Verlagsanstalt, Lengerich 1981.
  • Gunnar Teske: Das Lengericher Conclusum eröffnete die Friedensverhandlungen. In: Unser Kreis 1998. Jahrbuch für den Kreis Steinfurt. Herausgegeben vom Kreisheimatbund Steinfurt und vom Kreis Steinfurt, S. 90–96.
  • Gunnar Teske: Verhandlungen zum Westfälischen Frieden außerhalb der Kongreßstädte Münster und Osnabrück. In: Westfälische Zeitschrift – Zeitschrift für vaterländische Geschichte und Altertumskunde, Jg. 147 (1997), S. 63–92 (Digitalisat).
  • Christof Spannhoff: 1568–1648. Unruhige Zeiten im südlichen Tecklenburger Land. Books on Demand, Norderstedt 2018, ISBN 978-3-7528-8913-0, S. 43–48: Das Lengericher Conclusum.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Fußnoten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Gunnar Teske: Verhandlungen zum Westfälischen Frieden außerhalb der Kongreßstädte Münster und Osnabrück. In: Westfälische Zeitschrift. Jg. 147 (1997), S. 63–92, hier: S. 74.
  2. Gunnar Teske: Verhandlungen zum Westfälischen Frieden außerhalb der Kongreßstädte Münster und Osnabrück. In: Westfälische Zeitschrift, Jg. 147 (1997), S. 63–92, hier S. 73.
  3. a b Gunnar Teske: Verhandlungen zum Westfälischen Frieden außerhalb der Kongreßstädte Münster und Osnabrück. In: Westfälische Zeitschrift. Jg. 147 (1997), S. 63–92, hier: S. 77.
  4. Gunnar Teske: Verhandlungen zum Westfälischen Frieden außerhalb der Kongreßstädte Münster und Osnabrück. In: Westfälische Zeitschrift. Jg. 147 (1997), S. 63–92, hier: S. 68 und 70.
  5. Christof Spannhoff: 1568–1648. Unruhige Zeiten im südlichen Tecklenburger Land. Norderstedt 2018, S. 48.
  6. Gunnar Teske: Verhandlungen zum Westfälischen Frieden außerhalb der Kongreßstädte Münster und Osnabrück. In: Westfälische Zeitschrift. Jg. 147 (1997), S. 63–92, hier: S. 76–77.
  7. Abgedruckt in: Johann Gottfried von Meiern (Hrsg.): Acta Pacis Westphalicae Publica. Oder Westphälische Friedens-Handlungen und Geschichte, Bd. 1: Worinnen enthalten, was vom Jahr 1643 biß in den Monath October Anno 1645 zwischen Ihro Römisch-Käyserlichen Majestät, dann den Beyden Cronen Franckreich und Schweden, ingleichen des Heiligen Römischen Reichs Chur-Fürsten, Fürsten und Ständen, zu Oßnabrück und Münster gehandelt worden. Gercke, Hannover 1734, § XXXIX, S. 528–535 (Digitalisat der Bayerischen Staatsbibliothek).
  8. Gunnar Teske: Verhandlungen zum Westfälischen Frieden außerhalb der Kongreßstädte Münster und Osnabrück. In: Westfälische Zeitschrift, Jg. 147 (1997), S. 63–92, hier S. 75.
  9. Herfried Münkler: Der Dreißigjährige Krieg. Europäische Katastrophe, deutsches Trauma 1618–1648. Rowohlt Berlin, Berlin 2017, ISBN 978-3-87134-813-6, S. 784.