Ostfriesisches Niederdeutsch

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Verbreitung des Ostfriesischen Platts

Ostfriesisches Nieder-[1] oder Plattdeutsch[2] (Eigenbezeichnung: oostfreesk Platt), auch ostfriesisches Platt genannt, ist die niederdeutsche Volkssprache in Ostfriesland. Ostfriesland gehört zu den Regionen, in denen das Niederdeutsche noch eine relativ starke Stellung hat. Unter dem Einfluss des Hochdeutschen ist jedoch auch hier ein Rückgang der Sprachkompetenz bei den jüngeren Sprechern zu verzeichnen.[3] Die Bezeichnung Ostfriesisch bezieht sich im allgemeinen Sprachgebrauch heute meist auf das ostfriesische Niederdeutsch und nur noch selten auf die im eigentlichen Ostfriesland ausgestorbene ostfriesische Sprache, die nur noch im oldenburgischen Saterland (saterfriesische Sprache) von rund 2000 Menschen gesprochen wird.

Das ostfriesische Platt gehört zum niedersächsischen Zweig des Niederdeutschen. Es ist jedoch kein direkt auf das Altsächsische zurückgehender Dialekt, sondern entstand erst ab etwa 1400 auf friesischem Substrat. Es ist also wie das Schleswigsche und fast das gesamte Ostniederdeutsche ein „Kolonialdialekt“. Das ostfriesische Platt wird innerhalb des Niedersächsischen in der Regel dem Nordniedersächsischen zugeordnet. Nur selten wird es von diesem getrennt behandelt.

Für die mittelniederdeutsche Zeit ist eine Dialektgliederung nur anhand der überlieferten geschriebenen Sprache möglich. Agathe Lasch ordnet 1914 das ostfriesische Mittelniederdeutsch mit dem Oldenburgischen als ostfriesisch-oldenburgische Schriftsprache ein.[4] Robert Peters hingegen fasst 1984 das Groningisch-Ostfriesische zu einem mittelniederdeutschen Schriftdialekt zusammen.[5]

Insbesondere die ältere niederländische Literatur kennt den Terminus friso-saksisch („Friesisch-Sächsisch“) für niederdeutsche Dialekte auf friesischem Substrat, worunter das ostfriesische Platt klassifiziert wurde.[6] Dabei wurden insbesondere die westlichen ostfriesischen Dialekte häufig mit den Groninger Dialekten zum Gronings-Oostfries zusammengefasst.[7]

Angrenzende Dialekte

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Dem ostfriesischen Platt stehen die umliegenden niedersächsischen Dialekte nahe: im Osten geht das Ostfriesische in das Jeverländer und nordoldenburgische Platt über, im Westen ist es trotz des in jüngerer Zeit zunehmenden Einflusses der unterschiedlichen Dachsprachen dem Groninger Platt noch sehr ähnlich. Mit den meisten der Groninger und Nordoldenburger Ortsdialekte hat es auch das friesische Substrat gemein.

Im Süden und Südosten werden die verwandten Dialekte des Emsländischen, Hümmlinger und Südoldenburger Platts gesprochen. Diese haben kein friesisches Substrat. Zudem hat die starke Konfessionsgrenze zwischen dem protestantischen Ostfriesland und dem katholischen Ems- und Münsterland lange Zeit den Kontakt der Dialekte gebremst.[8]

Die ursprüngliche Sprache zwischen Lauwers und Weser war die friesische Sprache. Die altfriesische Sprache wurde in Ostfriesland ab etwa 1400 allmählich durch das Mittelniederdeutsche verdrängt, beeinflusste die neue Sprache aber auch. Das in Ostfriesland in Gebrauch kommende Mittelniederdeutsch wies zudem nicht nur friesisches Substrat, sondern auch einen konservativen niederdeutschen Sonderwortschatz auf, der sich in anderen Dialekten nicht erhalten hatte.[9] Die Unterschiede zu den umliegenden niederdeutschen Dialekten beruhen zum Teil bis heute auf diesen beiden Sonderentwicklungen. Auch Spuren der Unterscheidung von ems- und weserfriesischer Variante des Altostfriesischen finden sich bis heute im ostfriesischen Platt. Das Mittelniederdeutsch, das in Ostfriesland Einzug hielt, war eine westlich geprägte Mundart, daher finden sich bis heute auch westfälische Einflüsse in der Sprache wieder.

Im Laufe der Zeit kamen Einflüsse aus der niederländischen Sprache und damit auch dem Französischen hinzu, die in der Zugehörigkeit Ostfrieslands zum napoleonischen Königreich Holland gipfelten. Niederländisch war insbesondere im calvinistischen Südwesten Ostfrieslands weit verbreitet und als Kirchensprache bis ins 19. Jahrhundert in Gebrauch. Verstärkt wurde diese Wechselbeziehung durch rege Zu- und Abwanderung von und nach den Niederlanden.

Das ostfriesische Platt kennt zahlreiche Ortsdialekte, die vor allem durch eine veränderte Aussprache und im Vokabular voneinander abweichen. Dabei finden sich zwei Hauptgruppen. Die kleinere Gruppe wird Harlingerländer Platt genannt und umfasst die östlichen Mundarten, die in etwa im heutigen Landkreis Wittmund gesprochen werden. Diese Dialekte stehen bereits den angrenzenden nordniedersächsischen Mundarten näher und gehen fließend in das Jeverländer und Nordoldenburger Platt über. Die westlichen Dialekte setzen sich dagegen stärker vom Oldenburgischen ab. Diese Dialekte, vor allem das Rheiderländer Platt und das Borkumer Platt, stehen bereits dem Groninger Platt sehr nahe.

Ein nach außen auffälliger Unterschied zwischen dem Harlinger Platt und dem übrigen Ostfriesischen ist die Vokabel für sprechen/reden: die Harlingerländer schnacken wie die meisten anderen Dialektsprecher zwischen Oldenburg und Schleswig. Die übrigen Ostfriesen proten (vgl. niederländisch praten). Die Sprachgrenze dieser beiden Gruppen entspricht in etwa jener der emsfriesischen und weserfriesischen Dialekte der alten ostfriesischen Sprache.

In einer Arbeit des Sprachwissenschaftlers Marron Curtis Fort zu den niedersächsischen und saterfriesischen Dialekten zwischen Lauwers und Weser werden innerhalb Ostfrieslands Sprachproben zu den unterschiedlichen Dialekten folgender Orte untersucht: Insel Borkum, Bunde im Rheiderland, Aurich, Insel Baltrum, Wittmund im Harlingerland und Rhauderfehn.[10] Dies mag als Auswahl der Dialektvielfalt gelten.

Ein ganz eigenes gruppentypisches Idiom innerhalb des Ostfriesischen Platts bildete in der Vergangenheit die mittlerweile verloren gegangene Verkehrssprache der (vielfach jüdischen) Viehhändler, in der sich ein eigenwilliges Platt teilweise mit jiddischen und anderen sprachlichen Elementen mischte.[11]

Ostfriesisches Platt unterscheidet sich in einer Reihe von Merkmalen vom übrigen Nordniedersächsischen, wie es östlich von Bremen bis nach Schleswig-Holstein gesprochen wird. Ähnlich wie in der niederländischen Sprache oder in den alemannischen Dialekten wird häufig vom Diminutiv (der Verkleinerungsform) Gebrauch gemacht. Das Diminutiv-Suffix ist -je und -tje oder -ke, beispielsweise Footjes = Füßchen, Kluntje = Stück Kandiszucker für den Tee, Lüüntje = Spatz, Sperling (Passer domesticus), Tüütje = Hühnchen. Im Groninger Platt gibt es dieselben Wörter: Voutjes (vout), Klontje (klont). Luntje (lunt). Tuutje (tuut).

Das Diminutiv findet sich auch häufig bei ostfriesischen Vornamen, insbesondere weiblichen, die dann zu eigenständigen Namen geworden sind.

Wichtige Unterschiede zu den benachbarten niederdeutschen Mundarten finden sich zudem in der Grammatik: So hat Ostfriesisch den Einheitsplural auf -en (sonst meist -et) und kennt die konsequente Durchführung der ingwäonischen (nordseegermanischen) Metathese der germanischen Pronomen: hör für ihr (sonst auch niederdeutsch eer) und hüm oder hum für ihm/ihn (sonst auch niederdeutsch eem, trotz niederdeutsch he für dritte Person Singular männlich).

Phonetik und Phonologie

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Das Phoneminventar der niederdeutschen Sprache Ostfrieslands ist nicht generell zu beschreiben, da insbesondere die Realisierung der Vokale in den verschiedenen Ortsdialekten erheblich voneinander abweichen kann. Die folgende Beschreibung mag als Beispiel dienen, das nicht absolut, aber in weiten Teilen Gültigkeit hat.[12]

Neben den unten aufgeführten Vokalen existiert noch der Langvokal [o:], der allerdings nur im Diphthong [o:ɪ] vorkommt. Der Konsonant /r/ wird im Silbenauslaut häufig zu ​[⁠ɐ⁠]​.

Kurzvokale:

Phonem Laut Beispiel Bemerkung
/i/ ​[⁠ɪ⁠]​ ik (ich)
/e/ ​[⁠ɛ⁠]​ helpen (helfen)
/ä/ ​[⁠æ⁠]​ recht (richtig)
/a/ ​[⁠a⁠]​ Gatt (Loch)
/ü/ ​[⁠ʏ⁠]​ Süster (Schwester)
/ö/ ​[⁠œ⁠]​ för (für)
/ə/ ​[⁠ə⁠]​ Acker (Feld) Im Gegensatz zum Standarddeutschen wird die Nebensilbe -er nicht als [ɐ], sondern als [ə] realisiert.
/u/ ​[⁠ʊ⁠]​ vull (voll)
/å/ ​[⁠ɔ⁠]​ Salt (Salz)

Langvokale:

Phonem Laut Beispiel
/ii/ [i:] riek (reich)
/ee/ [e:, eˑə] Peeren (Birnen)
/ää/ [æ:] Deer (Tier)
/aa/ [a:] Tahn (Zahn)
/üü/ [y:] Füür (Feuer)
/uu/ [u:] ut (aus)
/åå/ [ɔ:] maken (machen)

Diphthonge und Triphthonge

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Das Niederdeutsch Ostfrieslands ist reich an Diphthongen und weist in vielen Ortsdialekten auch Triphthonge auf.

Phonem Laut Beispiel Bemerkung
/ei/ [ɛɪ] see (sagte)
/eäi/ [ɛæɪ] neei (neu)
/öəi/ [œəɪ] mööi (müde)
/äi/ [æɪ] neet (nicht)
/ai/ [] teihn (zehn)
/aai/ [a:ɪ] Ei (Ei)
/ui/ [] luntjen (anzünden)
/ooi/ [o:ɪ] nooit (nie)
/öu/ [œʊ] Droom (Traum)
/au/ [] School (Schule) „School“ in der Krummhörn realisiert als [ʃgaʊl], im Rheiderland z. B. als [ʃgeaʊl].
/aau/ [a:ʊ] haun (schlagen)
/ou/ [] Boom (Baum)
/iə/ [] dicht (geschlossen)
/üə/ [] Sünn (Sonne)
/öə/ [œə] Bröör (Bruder)
/uə/ [] Tung (Zunge)
/åə/ [ɔə] koll (kalt)
/eä/ [ɛæ] seggen (sagen)
/äü/ [æy] föhlt (fühlt)
/oi/ [ɔɪ][13] Moin (Moin)

Stimmhafte Plosive werden im Auslaut in der Regel verhärtet. Beim Wegfall eines Vokals im Auslaut kann die Stimmhaftigkeit des Konsonanten allerdings beibehalten werden, zum Beispiel: De dode Mann. / De dood Mann.

Plosive:

Phonem Laut Beispiel
/p/ ​[⁠p⁠]​ Pogg (Frosch)
/t/ ​[⁠t⁠]​ Tiek (Käfer)
/k/ ​[⁠k⁠]​ Kööken (Küche)
/b/ ​[⁠b⁠]​ Been (Bein)
/d/ ​[⁠d⁠]​ Diek (Deich)
/g/ ​[⁠g⁠]​ geel (gelb)

Frikative:

Phonem Laut Beispiel Bemerkung
/f/ ​[⁠f⁠]​ Vögel (Vogel)
/w/ ​[⁠v⁠]​ Water (Wasser)
/s/ ​[⁠s⁠]​ was (war)
/z/ ​[⁠z⁠]​ Sess (sechs)
/ch/ ​[⁠ç⁠]​ Tüüg (Zeug) Der „Ich-Laut“ erscheint in der Regel nach kurzem ​[⁠i⁠]​ und [y:]
/ch/ ​[⁠x⁠]​ hoog (hoch) Der „Ach-Laut“ erscheint auch an anderen Positionen als im Standarddeutschen, z. B. nach ​[⁠ʏ⁠]​ in Lücht (dt. Licht).
/sch/ ​[⁠ʃ⁠]​ Schoh (Schuhe)
/h/ ​[⁠h⁠]​ heten (heißen)


Sonstige Konsonanten:

Phonem Laut Beispiel Bemerkung
/tj/ [, ] Kluntje (Kandiszucker)
/ts/ ​[⁠ts⁠]​ zümtig (siebzig) Seltene Affrikate, vor allem in Lehnwörtern zu finden.
/j/ ​[⁠j⁠]​ Jier (Jauche)
/m/ ​[⁠m⁠]​ Mann (Mann)
/n/ ​[⁠n⁠]​ nargens (nirgendwo)
/ng, nk/ ​[⁠ŋ⁠]​ Ring (Ring)
/l/ ​[⁠l⁠]​ laten (lassen)
/r/ [r, ʀ] Rook (Rauch) Das gerollte oder einfache Zungenspitzen-r ​[⁠r⁠]​ ist die traditionelle Realisation, die in der jüngeren Generation langsam durch das gerollte Gaumenzäpfchen-r ​[⁠ʀ⁠]​ ersetzt wird. Den im Standarddeutschen meist verwendeten Reibelaut ​[⁠ʁ⁠]​ findet man dagegen kaum.

Wie bei anderen Regional- und Minderheitensprachen ist auch beim Ostfriesischen Platt zu beobachten, dass sich das Phoneminventar langsam der dominierenden Standardsprache angleicht.

Auch im Vokabular gibt es Unterschiede zum Standarddeutschen, eine Reihe von Wörtern hat ihre nächste Entsprechung im Niederländischen oder Englischen.

Beispiele

Ostfriesisch Gronings Nordniedersächsisch Niederländisch Westfriesisch Englisch Deutsch
hör heur ehr/eer haar har her ihr
moi mooi, schier scheun mooi, schoon moai, skoan beautiful, nice, fine schön
geböhren gebeurn passeern gebeuren barre to happen geschehen
proten proaten snakken praten prate prate, prattle sich unterhalten
neet nait nich niet net not nicht
was was wer was wie was war


Außerdem finden sich Begriffe, die bei gemeinsamer Wurzel eine gegenüber dem Deutschen abweichende Entwicklung genommen haben, die sie dem Englischen oder Niederländischen annähert. Ein Beispiel:

Ostfriesisch Niederländisch Westfriesisch Englisch Deutsch
Klock ‚Uhr, Glocke‘ klok ‚Uhr‘ klok ‚Uhr‘ clock ‚Uhr‘ Glocke
't is klock teihn 't is tien uur it is tsien oere it is ten o' clock es ist zehn Uhr
Ühr ‚Stunde‘ uur ‚Stunde‘ oere ‚Stunde‘ hour ‚Stunde‘ Uhr
'n karteer Ührs een kwartier in kertier a quarter-hour eine Viertelstunde

Der ostfriesische Standardgruß lautet Moin. Der Gruß ist in weiten Teilen Norddeutschlands und darüber hinaus bekannt, seine genaue Herleitung aber nach wie vor nicht ganz geklärt. Trotz seiner angeblichen Herkunft aus „Guten Morgen“ ist er kein expliziter Morgengruß. Stattdessen wird er in Ostfriesland, wie auch in Schleswig-Holstein und anderen Regionen,[14] zu jeder Tages- und Nachtzeit verwendet, was eine Herkunft aus dem Mittelniederdeutschen mōi(e) und Niederländischen (mooi = schön, also „einen Schönen“ als Kurzform für „einen schönen Tag“) nahelegt.[15][16]

Das friesische Substrat

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Auch wenn es als unstrittig gilt, dass die alte ostfriesische Sprache die niederdeutsche Volkssprache in Ostfriesland beeinflusst hat, ist es schwierig, ein alt-ostfriesisches Relikt eindeutig als solches zu identifizieren. In der Sprachwissenschaft gilt das friesische Substrat nur als eine von mehreren Ursachen für die Sonderstellung des ostfriesischen Niederdeutsch innerhalb des Nordniedersächsischen. Die Einflüsse der Dialekte aus den heutigen niederländischen Provinzen Groningen und Drenthe sowie aus der niederländischen Standardsprache sind ungleich größer gewesen. Dabei ergibt sich für die Bestimmung friesischer Substratelemente im ostfriesischen Platt ein methodisches Problem. Ein als möglicherweise friesisch identifiziertes Merkmal kann nicht eindeutig der alten friesischen Substratschicht zugeordnet werden. Da auch das Groninger Platt auf ostfriesischem Substrat entstanden ist, kann ein solches Element auch über diesen Dialekt vermittelt worden sein. Genauso hatte auch das Niederländische ursprünglich friesische bzw. nordseegermanische Elemente angenommen und kann diese an den ostfriesischen Dialekt weitergegeben haben. Schließlich gilt auch die niederdeutsche Grundlage des ostfriesischen Platts als sehr konservativ. Da auch das Niedersächsische nordseegermanisch geprägt ist, kann ein vermutetes friesisches Relikt im Ostfriesischen auch ein konservierter niedersächsischer Ingwäonismus sein.[17]

Dementsprechend uneinig ist sich die Forschung in der Einordnung der Einzelfälle. Die umfangreichste Untersuchung zu dem Thema veröffentlichte Arend Remmers.[18] Zahlreiche seiner Beispiele sind aber bereits von anderen Forschern angezweifelt worden, weil sie zum Beispiel zu großflächig in anderen niederdeutschen Mundarten verbreitet oder Phänomene jüngeren Datums sind.[19]

Untersuchungen der Reliktwörter wurden hier zumeisten an den lokalen Wörterbüchern von Böning, ten Doornkaat und Stürenburg durchgeführt, die den Wortschatz des 19. und frühen 20. Jahrhunderts dokumentieren. Friesische Reliktwörter finden sich vor allem in den „hinlänglich bekannten Bereichen 'bäuerlicher Wortschatz, Pflanzen- und Tiernamen, affektiver Wortschatz'“.[20]

Die nachfolgenden Beispiele samt ihren Vergleichsbelegen aus dem Wangeroogischen, Harlingerfriesischen und Altfriesischen sind den wort- und lautgeografischen Beispiellisten aus dem Überblicksartikel zu dem Thema von Ulrich Scheuermann aus dem Jahr 2001 entnommen.[21]

Ostfriesisches Niederdeutsch Standarddeutsch Harlingerländer Friesisch Wangerooger Friesisch Altfriesisch Westfriesisch[22]
Babbe Väterchen babbe bab
Baue Viehbremse bawen bau (hynstebau/kowebau)
Bebbe / Beppe Großmutter beppe
Ei Mutterschaf ai ei
Eide Egge eyde/ihde eide eide
flöstern umziehen flóster
Fōn fohn faun fámne famke
grinen schmerzen gryhnen grín grinda grine
Grōm Fischeingeweide graum
Heller Außendeichsland kwelder
hemmel sauber himmel
Hemmel Reinigung
hemmelig reinlich
hemmeln reinigen himmelje
hemschen reinigen
Hokke Mantel hokka
Hüdel Kloß hühdels
Jire Jauche jere jarre
Kabbe / Kobbe Möwe kâb kôb
Kēl geronnene Milch kehl kêl kerl
Klampe Steg klampe klamp
Krubbe Mauerassel
leien blitzen
Leide Biltz layde leith / leid
Lēp Kiebitz leep ljip
Līwe Austernfischer lîv
Laug / Lōg Dorf lauch lōch / lōch
Mêm / Memme Mutter mem mäm mem
Pralle / Pralling Hoden pralling
quinken / quinkōgen zwinkern quink quinka
Rēve Gerät rêv
Rīve Harke Hrīve
Schunke Schenkel skunk / skunka skonk
Schūrschott Libelle schûrschot
Beddeselm Vorderkante des Wandbettes beddeselma
Schmeent kleine Ente smjunt
Stōm Dampf steam
Supen Buttermilch suhpe sûpe
Tōm Nachkommenschaft tâm (nei)team
Tūn Garten thuen tûnn tūn tún
Tūsk Zahn tusck tusk tusk tosk
Wāge Wand waage wôch wâg / wâch
Wāle Striemen
Wei Molke wôi hwajja / hwajjô waai
Wīke (Fehnkanal) Kanal wyk (Fehnkanal)
Wirse Reihe gemähtes Gras wirsene
Heff die See hef
Inge Wiese
Jadder Euter jader jaar
Gunder Ganter / Gänserich gôner gunder / gonder
Tulg Ast / Zweig tulg
Wuff / Wīf Weib wuff wīf wiif
Māt Scheibe Fleisch māte
Gaspe Schnalle gesp
Gast Geest gâst geast
Mande / Mānde Gemeinschaft manda mande
Aak / Ake zusätzliches Stück Land âka
Mār Grenzgraben mâr
Ees Aas / Köder ês ies
Eet Speise ēt iten
Meyde / Mēde / Mēë Wiese mēde miede/miedlân
Teek Treibsel / Angespültes
Wēl Kolk / Brake
Grēde Grünland grēd greide
tēmen / temmen Heu in Haufen schieben
nitel stößig nîtel
kīwer lebhaft quîver
quivern gedeihen
Rieme / Rimm Einfassung rima râne
stīkel steil
stīkel Stachel stîkel stikel
Tike Käfer
Trīme Leitersprosse triem
Ihne Granne
Hiele Ferse hiell hîl heila hiel
Diemath / Dimt ein Flächenmaß deimēth / dîmēth
Lōne Gasse lone
Rōp Seil raap râp reap
Rōf ein Garnmaß
Heide Haut heude haid hēd / heid / heide hûd
Stitze erstkalbende Kuh stirtze / sterkiō
Bittse Xanthippe bitze
Bletz Dreck bletz blets bletza
Tille Brücke till thille tille (eine feste, etwas höhere Brücke)
Tīling Dielenlage tilling
Tjāde Wasserzug tiā
Tjäpkes Mehlbeeren
Tjüche (in Flurnamen) tioche / tioche
tjukken stoßen
tjukseln schlagen / stolpern
tjüddern anpflokken

Ein Vergleich des niederdeutschen ostfriesischen Platts mit dem letzten überlebenden Dialekt der ostfriesischen Sprache, dem Saterfriesischen, verdeutlicht die unterschiedliche Entwicklung auf der Lautebene seit dem Sprachwechsel vom Friesischen zum Niederdeutschen:

Ostfriesisches Platt week Fack Land hören söken Für slecht Dag Kark denken breien
Saterfriesisch wook Fäk Lound heere säike Fjuur sljucht Dai Säärke toanke braidje

Geschrieben wird ostfriesisches Platt, in dem eine beachtliche regionale Literatur existiert, überwiegend in der „Schrievwies Oostfreeske Landskupp“, einer an den Lindow'schen Orthographieregeln orientierten Schreibweise. Diese wurde von der Ostfriesischen Landschaft entwickelt. Sie stellt eine dialektübergreifende Kompromissschreibung dar und wird als „offizielle Schreibweise“ genutzt.[23]

Siehe auch:

  • Lars-Erik Ahlsson: Studien zum ostfriesischen Mittelniederdeutsch. Uppsala 1964.
  • William Foerste: Der Einfluss des Niederländischen auf den Wortschatz der jüngeren niederdeutschen Mundarten Ostfrieslands. 1938. (Reprint: Leer 1975)
  • Marron Curtis Fort: Niederdeutsch und Friesisch zwischen Lauwerzee und Weser. In: Zwischen Schreiben und Lesen. Perspektiven für Bibliotheken, Wissenschaft und Kultur.BIS, Bibliotheks- und Informationssystem der Univ. Oldenburg, Oldenburg 1995, S. 493–525.
  • Johann Hobbing: Die Laute der Mundart von Greetsiel in Ostfriesland. Nienburg 1879.
  • E. Isakson Biehl: Norderneyer Protokolle. Beobachtungen zu einer niederdeutschen Mundart im Rückgang. Dissertation. Stockholm 1996.
  • Hans Janßen: Die Gliederung der Mundarten Ostfrieslands und der angrenzenden Gebiete. 1937. (Reprint: Walluf, 1973)
  • A. Kruse: Zur Lage des Plattdeutschen im nordwestlichen Ostfriesland. Ergebnisse einer Befragung von Schülerinnen und Schülern aus Emden und Umgebung. In: Quickborn. 83, Heft 3, 1993, S. 64–83.
  • Wilko Lücht: Ostfriesische Grammatik. Ostfriesische Landschaftliche Verlags- und Vertriebsgesellschaft, Aurich 2016.
  • Y. Matras, Gertrud Reershemius: Low German (East Frisian dialect). Lincom, München 2003.
  • Arend Remmers: Zum ostfriesischen Niederdeutsch. In: Jahrbuch des Vereins für niederdeutsche Sprachforschung. 117, 1994, S. 130–168; 118, 1995, S. 211–244; 119, 1996, S. 141–177.
  • Arend Remmers: Plattdeutsch in Ostfriesland – Die Mundart von Moormerland-Warsingsfehn. Leer 1997.
  • Tjabe Wiesenhann: Einführung in das ostfriesische Niederdeutsch. 1936. (Reprint: Leer 1977)
Wörterbücher
  • Otto Buurman: Hochdeutsch-plattdeutsches Wörterbuch. Auf der Grundlage ostfriesischer Mundart in 12 Bänden. 1993 neu herausgegeben vom Verein „Oostfreeske Taal“
  • Jürgen Byl, Elke Brückmann: Ostfriesisches Wörterbuch – Plattdeutsch/Hochdeutsch. Verlag Schuster, Leer.
  • Jan ten Doornkaat Koolman: Wörterbuch der ostfriesischen Sprache. 3 Bände. 1879/1884. (Reprint: Wiesbaden, 1968)
  • Stürenburg, Cirk Heinrich: Ostfriesisches Wörterbuch. 1857. (Reprint: Leer 1972)
  • Gernot de Vries: Ostfriesisches Wörterbuch – Hochdeutsch/Plattdeutsch. Verlag Schuster, Leer 1992.

Einzelnachweise

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  1. Gertrud Reershemius: Niederdeutsch in Ostfriesland. Zwischen Sprachkontakt, Sprachveränderung und Sprachwechsel. Steiner, Stuttgart 2004, ISBN 978-3-515-08571-7, S. 14, eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche, abgerufen am 5. August 2022.
  2. Helga Ostendorf: Ostfriesland verstehen. epubli, Berlin 2013, ISBN 978-3-8442-5761-8, S. 40, eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche, abgerufen am 5. August 2022.
  3. Gertrud Reershemius: Niederdeutsch in Ostfriesland. Zwischen Sprachkontakt, Sprachveränderung und Sprachwechsel. Steiner, Stuttgart 2004, ISBN 978-3-515-08571-7.
  4. Agathe Lasch: Mittelniederdeutsche Grammatik. Halle 1914.
  5. Robert Peters: Überlegungen zu einer Karte des mittelniederdeutschen Sprachraums. In: Niederdeutsches Wort. 24, 1984, S. 51–59.
  6. Zum Beispiel: Johan Winkler: Algemeen Nederduitsch en Friesch dialecticon. Den Haag 1874.
  7. Auch Ethnologue kennt noch Gronings-Oostfries: http://www.ethnologue.com/show_language.asp?code=gos
  8. Vgl. z. B. zum im Saterland verwendeten Niederdeutschen: Dieter Stellmacher: Das Saterland und das Saterländische. Oldenburg 1998.
  9. Lars-Erik Ahlsson: Studien zum ostfriesischen Mittelniederdeutsch. Uppsala 1964.
  10. Marron C. Fort: Niederdeutsch und Friesisch zwischen Lauwerzee und Weser. (PDF; 115 kB). In: Hans-Joachim Wätjen (Hrsg.): Zwischen Schreiben und Lesen : Perspektiven für Bibliotheken, Wissenschaft und Kultur ; Festschrift zum 60. Geburtstag von Hermann Havekost. Oldenburg 1995.
  11. Gertrud Reershemius: Der jüdische Ethnolekt im 20. Jahrhundert im Verhältnis zur Fachsprache der Schlachter und Viehhändler. In: Gertrud Reershemius: Die Sprache der Auricher Juden: Zur Rekonstruktion westjiddischer Sprachreste in Ostfriesland (= Jüdische Kultur. Studien zur Geistesgeschichte, Religion und Literatur. Band 16). Wiesbaden 2007, ISBN 978-3-447-05617-5, S. 111 ff.
  12. In Anlehnung an die Untersuchung Gertrud Reershemius: Niederdeutsch in Ostfriesland. Zwischen Sprachkontakt, Sprachveränderung und Sprachwechsel. Stuttgart 2004, in der die Ortsmundart von Campen in der Krummhörn im Mittelpunkt steht.
  13. Arend Remmers: Plattdeutsch in Ostfriesland. Die Mundart von Moormerland-Warsingsfehn. Sollermann, Leer 1997, S. 72–81.
  14. Zur Streuung siehe: Wacław Miodek: Die Begrüßungs- und Abschiedsformeln im Deutschen und im Polnischen. Julius Groos Verlag, Heidelberg 1994, S. 57, books.google.de, und Atlas zur deutschen Alltagssprache der Universität Augsburg; abgerufen am 24. November 2020.
  15. Martin Schröder (Bearb.): Niedersächsisches Wörterbuch. Band 8. Karl Wachholtz, Neumünster 2011, Sp. 782–787, hier: Sp. 784.
  16. Eintrag auf duden.de.
  17. vgl. Scheuermann, Ulrich (2001): Friesische Relikte im ostfriesischen Niederdeutsch. In: Munske, Horst Haider u. a.(Hrsg.): Handbuch des Friesischen. Niemeyer. Tübingen, S. 443–448.
  18. Remmers, Arend (1994–1996): Zum ostfriesischen Niederdeutsch. In: Jahrbuch des Vereins für niederdeutsche Sprachforschung. 117, 1994, S. 130–168; 118, 1995, S. 211–244; 119, 1996, S. 141–177.
  19. vgl. Scheuermann, Ulrich (2001): Friesische Relikte im ostfriesischen Niederdeutsch. S. 443 u. S. 444. In: Munske, Horst Haider u. a.(Hrsg.): Handbuch des Friesischen. Niemeyer. Tübingen, S. 443–448.
  20. vgl. Scheuermann, Ulrich (2001): Friesische Relikte im ostfriesischen Niederdeutsch. S. 444. In: Munske, Horst Haider u. a.(Hrsg.): Handbuch des Friesischen. Niemeyer. Tübingen, S. 443–448.
  21. vgl. Scheuermann, Ulrich (2001): Friesische Relikte im ostfriesischen Niederdeutsch. S. 444–446. In: Munske, Horst Haider u. a.(Hrsg.): Handbuch des Friesischen. Niemeyer. Tübingen, S. 443–448.
  22. Taalweb Frysk. Abgerufen am 31. Juli 2021.
  23. Schreibregeln der ostfriesischen Landschaft