Retroversion des Uterus

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Die Retroversion des Uterus, die „Neigung der Gebärmutter nach hinten“, ist eine anatomische Position der menschlichen Gebärmutter (lat. Uterus), bei der der Winkel zwischen der Scheidenachse (Vagina) und der Gebärmutterachse von der physiologischen Neigung nach vorne (Anteversion) so abweicht, dass eine Neigung zum Rücken hin (dorsal) vorliegt.[1] Bilden die Zervixachse und die Korpusachse des Uterus einen Winkel nach dorsal, spricht man von Retroflexio uteri, der Retroflexion des Uterus.[2] Als intraperitoneale Lageveränderung des Uterus gelten Retroversion und Retroflexion als Variationen des Normalen. Sie haben bei gynäkologischen Untersuchungen und operativen Eingriffen eine Bedeutung, sie führen aber selten zu Beschwerden und gelten normalerweise nicht als Erkrankung.[3]

Prävalenz[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Häufigkeit einer nach hinten geneigten Gebärmutter wird je nach Quelle mit 15 bis 25 Prozent der Frauen angegeben.[4] Häufig bestehen eine Retroversion und eine Retroflexion gleichzeitig.

Diagnose[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der gynäkologische Tastbefund kann einen Verdacht auf Retroversion des Uterus begründen. Die Diagnose erfolgt durch transvaginale Sonographie.[5][6]

Formen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Bewegliche nach hinten geneigte Gebärmutter: Retroflexio-Retroversio uteri mobilis.
  • Unbewegliche nach hinten geneigte Gebärmutter: Retroflexio-Retroversion uteri fixata.

Symptome[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Meistens bestehen keine Beschwerden. Bei Frauen mit retrovertierter Gebärmutter treten jedoch Menstruationsschmerzen und Dyspareunie etwas häufiger auf als bei Frauen mit einer intermediären oder antevertierten Gebärmutter.[7] Bei Retroflexio-Retroversio uteri fixata verursacht die Fixierung meist keine Beschwerden. Bei der gynäkologischen Untersuchung, wenn versucht wird, den Uterus anzuheben, wird jedoch ein starker Aufrichtungsschmerz ausgelöst. Bei einer Retroflexio-Retroversio uteri fixata die durch eine retrouterine Endometriose entstanden ist, bestehen häufig chronische Schmerzen, Dysmenorrhoe und Hypermenorrhoe.

Ursachen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Retroflexio-Retroversio uteri mobilis[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Retroflexio-Retroversio uteri mobilis besteht meist vom Kindesalter an. In manchen Fällen ist es eine Folge eines operativen Eingriffs, einer Kaiserschnittentbindung[8] oder von Geburtswehen.

In einer Studie (2014) zeigten die Bilder von 641 transvaginalen Ultraschalluntersuchungen nach Kaiserschnittentbindungen bei 27 % der Frauen eine antevertierte aber retroflexe Uteruslage. Bei der Kontrollgruppe aus Frauen, die vaginal entbunden hatten, hatten 1 % diese Uteruslage.[9] Die Rückwärtsneigung einer beweglichen Gebärmutter ist häufig ein Zeichen von Bindegewebsschwäche, manchmal einer Hypoplasie des Organs. Sie kann auch die Folge einer mangelhaften Rückbildung im Wochenbett sein.

Retroflexio-Retroversio uteri fixata[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Eine fixierte nach hinten geneigte Gebärmutter ist eine Folge einer vorhergehenden Erkrankung, durch die es zu Verklebungen zwischen der Uterushinterfläche und dem Rektum bzw. dem Douglas-Peritoneum gekommen ist. Dies kann bei Endometriose, Myom oder Entzündungen auftreten.

Risiken[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Retroversion ist einer der Risikofaktoren für eine Uterusperforation beim Einsatz eines medizinischen Instruments, das durch den Gebärmutterhals hindurch in die Gebärmutter eingeführt wird, beispielsweise beim Einlegen eines Intrauterinpessars, bei einer Hysteroskopie, beim Schwangerschaftsabbruch insbesondere bei Curettage, oder für die Strahlentherapie bei Gebärmutterkrebs.[10][11][12][13][14][15][16][17][18]

Bei schwangeren Frauen richtet sich eine retrovertrierte und retroflektierte Gebärmutter durch die Größenzunahme meist um die 14. Schwangerschaftswoche von allein auf. In seltenen Fällen unterbleibt die Aufrichtung und stattdessen entsteht ein Uterus incarceratus.[19][20][21]

Behandlung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ab 1882 wurde die Operation der Retroflexio uteri nach Alexander-Adams (benannt nach William Alexander, gestorben 1902, und James Adams, 1818–1899) durchgeführt.[22] Von der Methode den Uterus aufzurichten und ein Intrauterinpessar einzulegen wird heute in der Fachliteratur abgeraten.[23]

Retroflexio-Retroversio uteri mobilis[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bei beweglichem Uterus soll eine spezielle Übung aus der Physiotherapie, bei der der Oberkörper in einer tieferen Position ist als das Becken, dazu dienen, dass die Schwerkraft den Uterus aufrichten und den Fundus in Richtung Herz ziehen kann.[24] Die Frau nimmt hierfür mindestens dreimal pro Tag jeweils nach Entleerung der Harnblase für 10 Minuten die Knie-Brust-Position ein.[25][26]

Retroflexio-Retroversio uteri fixata[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bei fixiertem Uterus infolge von Endometriose: Falls der Uterus nicht entfernt werden soll, eine operative Antefixation (Ablösung) des mit der Rektumwand verklebten Gewebes.[27]

Schwangere mit Retroflexio-Retroversio uteri[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bei Ausbleiben der Aufrichtung im 2. Trimenon ist vor der 20. Schwangerschaftswoche eine manuelle oder ggf. interventionelle Verlagerung des Uterus aus dem kleinen Becken heraus möglich.[28]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Meinert Breckwoldt, Manfred Kaufmann, Goetz Martius, Albrecht Pfleiderer, Regine Gätje (Hrsg.): Gynäkologie und Geburtshilfe. 5. Auflage. Thieme Verlag, 2007.

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Pschyrembel: ‘‘Versio uteri‘‘.Pschyrembel online, zuletzt abgerufen am 20. Februar 2023.
  2. Pschyrembel: Flexio uteri . Pschyrembel online, zuletzt abgerufen am 20. Februar 2023.
  3. Albrecht Pfleiderer, Meinert Breckwoldt, Gerhard Martius: Gynäkologie und Geburtshilfe. 4. Auflage. Thieme Verlag 2001, S. 242.
  4. Fred Howard: Is Uterine Retroversion and Retroflexion a Disease That Requires Surgical Correction?.
  5. Uche Menakaya, George Condus: Retroversion of the uterus: refining the description of the real time dynamic ‘sliding sing’. In: Australas J Ultrasound Med. Band 16, Ausgabe 3, August 2013.
  6. Andrea Kaelin Agten, Anne Honart et et al.: Cesarean Delivery Chances the Natural Position of the Uterus on Transvaginal Ultrasonography.
  7. A. Fauconnier, J. B. Dubuisson: F. Foulot et al.: Mobile uterine retroversion is associated with dyspareunia and dysmenorrhea in an unselected population of women. In: Eur J Obstet Gynecol Reprod Biol. 2006. 127: 252-256
  8. Andrea Kaelin Agten, Anne Honart et al.: Cesarean Delivery Chances the Natural Position of the Utersu on Transvaginal Ultrasonography.
  9. Roger C. Sanders, Anna K. Parsons: Anteverted Retroflexed Uterus: A Common Consequence of Cesarean Delivery. In: American Journal of Roentgenology. Band 203, Nr. 1, Juli 2014.
  10. Nina A. Mayr, Joseph F. Montebello et al.: Brachytherapy management of the retroverted uterus using ultrasound-guided implant applicator placement. In: Brachytherapy, Band 4, Ausgabe 2, 2005, S. 24–29.
  11. Goran Augustin, Mate Majerovic, Tomislav Luetic: Uterine perforation as a complicatin of surgical abortion causing small bowel obstruction: a review. In: Archieves of Gynecology and Obstetrics. Band 288, S. 311-323, 2013
  12. E. Caliscan, N. Öztürk et al.: Analysis of risk factors associated with uterine perforation by intrauterine devices. In: The European Journal of Contraception & Reproductive Health Care. Band 8, Ausgabe 3, 2003.
  13. Alexandreia Carrol, Courntey Paradise et al.: Far migration of an intrauterine contraceptive device from the uterus to the small bowel.
  14. Uterine perforation and small bowel incarceration: sonographic and surgical findings.
  15. Fevzi Shakir, Yasser Diab: The perforated uterus
  16. Multiple Bowel Perforations Requiring Extensive Bowel Resection and Hysteroectomy After Microwave Endometrial Ablation.
  17. L. H. Chen, S. F. Lai, W. H. Lee, N. K. Y. Leong: Uterine perforation during elective first trimester abortions: A 13 year review. In: Singapore Medical Journal, Band 36, 1995. S. 64.
  18. Lukas Hefeler, Andrea Lembach et al.: The Intraoperative Complication Rate of Nonobstretric Dilation and Cureettage. In: Obstetrics & Gynecology, Band 113, Ausgabe 6, Juni 2009, S. 1268–1271
  19. Pschyrembel: Retroflexio uteri gravidi incarcerata Flexio uteri. Pschyrembel online, zuletzt abgerufen am 20. Februar 2023.
  20. Albrecht Pfleiderer, Meinert Breckwoldt, Gerhard Martius: Gynäkologie und Geburtshilfe. 4. Auflage. Thieme Verlag 2001, S. 242–243.
  21. E. von Tucher, N. Siedentopf, J. P. Siedentopf et al.: Inkarzerationen und Sacculationen bei Retroflexio uteri. In: Zeitschrift für Geburtshilfe und Neonatologie. 2013.
  22. Paul Diepgen, Heinz Goerke: Aschoff/Diepgen/Goerke: Kurze Übersichtstabelle zur Geschichte der Medizin. 7., neubearbeitete Auflage. Springer, Berlin/Göttingen/Heidelberg 1960, S. 51.
  23. Albrecht Pfleiderer, Meinert Breckwoldt, Gerhard Martius: Gynäkologie und Geburtshilfe. 4. Auflage. Thieme Verlag 2001, S. 242.
  24. Anne Marie Jensen: Kinderwunsch – Wie Physiontherapie helfen kann. Kapitel Die Lage der Gebärmutter. Springer Berlin Heidelberg, 4. April 2019. ISBN 978-3-662-58276-3, S. 105, 108, 109.
  25. Rahul Nanda: Literaturrecherche des Uterus incarceratus mit Fallbeispiel. Diplomarbeit an der Medizinischen Universität Graz, Universitätsklinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, 16. November 2021.
  26. Cha Han, Chen Wang, Lulu Han et al.: Incarceration of the gravid uterus: a case report and literature review. In: BMC Pregnancy and Childbirth. Bd. 19, Nr. 408, 8. November 2019.
  27. Albrecht Pfleiderer, Meinert Breckwoldt, Gerhard Martius: Gynäkologie und Geburtshilfe. 4. Auflage. Thieme Verlag 2001, S. 242–244.
  28. E. von Tucher, N. Siedentopf, J. P. Siedentopf et al.: Inkarzerationen und Sacculationen bei Retroflexio uteri. In: Zeitschrift für Geburtshilfe und Neonatologie. 2013.