Rudolph Kündinger

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Rudolph Kündinger

Rudolph Kündinger (auch russisch Рудольф Васильевич Кюндингер; * 2. Mai 1832 in Nördlingen, Königreich Bayern; † 9. Februar 1913 in Sankt Petersburg, Russisches Kaiserreich) war ein Pianist, Komponist und Musikpädagoge.

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Kindheit und Jugend in Nördlingen und Nürnberg[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Rudolph Kündingers Vater Georg Wilhelm Kündinger (1800–1867), ein Pianist und Komponist, war zur Zeit von Rudolphs Geburt Kantor in Nördlingen.[1] Am 31. August 1838 wurde Georg Wilhelm Kündinger Kantor an Heilig-Geist in Nürnberg.[2] Von 1841 bis 1846 besuchte Rudolph Kündinger die Lateinschule des Egidiengymnasiums. Unterricht in Harmonielehre und Kontrapunkt erhielt er beim Städtischen Musikdirektor Ernst Blumröder (1776–1858). Klavier- und Orgelunterricht erteilte ihm sein Vater.[3]

Zeit in Russland[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

1850 ging er nach Sankt Petersburg. Hier spielte er bei den Universitätskonzerten ein Klavierkonzert von Henry Litolff.[3][4] Kündinger nahm zunächst eine Anstellung bei Baron Alexander von Vietinghoff (* 1796), einem kaiserlich-russischen Wirklichen Staatsrat und Kammerherrn des Zaren, an. Da Vertreter der Familie Vietinghoff sich nachweislich 1850 mehrfach in Nürnberg aufgehalten hatten, ist es plausibel, dass Kündinger mit Aussicht auf diese Stellung, die Reise nach Sankt Petersburg antrat. Es wird diskutiert, dass der aus Franken stammende Adolf Henselt die Kontakte vermittelt hatte.[3] Sophie von Vietinghoff, die Dame des Hauses, eine begabte Pianistin, war Schülerin Henselts und John Fields.[5] Kündinger wurde Klavierlehrer ihrer beiden jüngsten Söhne Modest (* 1835) und Aleksej von Vietinghoff (* 1836). Der spätere Komponist Boris von Vietinghoff-Scheel war deren älterer Bruder. 1854 war Kündinger unter der Leitung Henselts Klavierlehrer am Nikolai-Waiseninstitut für junge Damen aus vornehmem Hause. 1855 wurde er als Klavierlehrer des fünfzehnjährigen Peter Iljitsch Tschaikowski von dessen Vater Ilja Petrowitsch Tschaikowski engagiert. Kündinger unterrichtete Tschaikowski bis 1858.[3]

1860 wurde er Klavierlehrer der Kinder des Großfürsten Konstantin Nikolajewitsch Romanow und trat damit in die Dienste der kaiserlichen Familie. Wie seine Bruder der Geiger August Kündinger, der inzwischen auch in Sankt Petersburg weilte, wurde er Mitglied der kaiserlichen Hofkapelle. Maria Fjodorowna, die später Zarin und deren Sohn der spätere Zar Nikolaus Alexandrowitsch zählten zu seinen Schülern.[3] 1866 wurde er zum Hofpianisten der Großfürstin Alexandra ernannt.[6]

Als Pianist trat er regelmäßig in den Konzerten der von Anton Grigorjewitsch Rubinstein 1859 begründeten Russischen Musikgesellschaft auf. 1879 erhielt er eine Professur am Sankt Petersburger Konservatorium, legte diese aber wieder ein Jahr später nieder. Im August 1863 heiratete er Marie Luise Hoeke.[7] Ende Januar 1875 heiratete er Natalia Nikitina. Beide Ehen waren vermutlich kinderlos.

1905 hielt er sich zur Kur in Bad Wildungen auf.[3][8]

Rudolph Kündinger wurde auf dem Nikolaus-Friedhof des Alexander-Newski-Klosters bestattet.[3][7] Er war Träger des Ordens des heiligen Wladimir.[3] Damit verbunden war ein erblicher Adelstitel und eine jährliche Pension.[3][9] 1878 wurde ihm der St. Annen-Orden zweiter Klasse mit Brillanten verliehen.[10]

Familie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Geschwister Rudolph Kündingers waren Christiana Wilhelmine (* 6. Januar 1825, † 16. April 1829), der Geiger August Wilhelm Kündinger (* 13. Februar 1827; † 20. April 1895), der Cellist Paul Kanut Kündinger (* 12. April 1830; † nach 1906) und Lisette, verheiratete Uebel (1837–1909).[3] Seine Mutter Karolina Kündinger hatte den Geburtsnamen Nörr.[3]

Werke (Auswahl)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Werke mit Opuszahl[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Andante grazioso für das Piano-Forte allein op. 1, veröffentlicht in: Musikalischer Telegraf. Wochenblatt für das Jahr 1850. Wien, Haslinger, 1850, S. 187–190.
  • Souvenir de Poloustrowa. Morceau de Salon pour le Piano As-Dur. op. 6, Leipzig, Breitkopf & Härtel
  • Premier Grand Trio pour Piano, Violon et Violoncelle cis-Moll op. 10, Leipzig, Breitkopf & Härtel, Baron von Vietinghoff gewidmet
  • Second Nocturne pour le Piano b-Moll op. 11, Leipzig, Breitkopf & Härtel
  • Galopp brillant pour le Piano à quatre mains op. 12, Leipzig, Breitkopf & Härtel
  • Hommage à l’Inconnue. Morceau de Salon pour le Piano op. 14, Leipzig, Breitkopf & Härtel
  • Mazurka-Fantaisie pour le Piano op. 16,
  • Mazurka de Concert pour le Piano Es-Dur op. 17, Leipzig, Breitkopf & Härtel

Werke ohne Opuszahl[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Friedhelm Brusniak: Geschichte des Musik- und Gesangvereins Nördlingen 1825–1863. In: Historischer Verein für Nördlingen und das Ries. Band 28, 1996, S. 183.
  2. LAELKB, Bayerisches Dekanat Nürnberg, Nr. 678; StANü, Niederlassungsakten Georg Wilhelm Kündinger, C 7/II Nr. 5350.
  3. a b c d e f g h i j k Günther Grünsteudel: Nördlingen – Nürnberg – St. Petersburg: Der deutsch-russische Pianist Rudolph Kündinger, Beiträge zu seiner Biographie und zu seinem familiären Umfeld
  4. Das genaue Datum von Kündingers erstem Auftritt in St. Petersburg ist nicht bekannt.
  5. Natalia Keil-Zenzerova: Adolph von Henselt: Ein Leben für die Klavierpädagogik in Rußland. Frankfurt/Main, 2007, Europäische Hochschulschriften, Reihe 36, Musikwissenschaft 249
  6. Auszeichnungen, Beförderungen. In: Franz Brendel (Hrsg.): Neue Zeitschrift für Musik. Band 62, Nr. 17. C. F. Kahnt, Leipzig 20. April 1866, S. 143 (onb.ac.at).
  7. a b Manfred H. Grieb (Herausgeber): Nürnberger Künstlerlexikon: bildende Künstler, Kunsthandwerker, Gelehrte, Sammler, Kulturschaffende und Mäzene vom 12. bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts
  8. Stadtarchiv Bad Wildungen, Kurliste von Bad Wildungen 1905, Nr. 24, Eintrag 2859
  9. Datensatz 28943 der Erik-Amburger-Datenbank des Leibniz-Instituts für Ost- und Südosteuropaforschung
  10. Dur und Moll. In: Bartholf Senff (Hrsg.): Signale für die musikalische Welt. Band 36, Nr. 46. Leipzig 1878, S. 729 (onb.ac.at).