Schell-Plan

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Der Schell-Plan war ein deutsches Wehrwirtschafts- und Rüstungskontrollprogramm, dem später das Rüstungsprogramm B folgte. Er war auf Kraftfahrzeuge (einschließlich der damaligen 100er Motor-Fahrräder), Anhänger und Einbaumotoren beschränkt.

Entstehung und Wirkung des Schell-Planes[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im nationalsozialistischen Deutschland wurde nach und nach eine Zentralverwaltungswirtschaft mit wirtschaftslenkender Gesetzgebung ausgebaut. Als Neuer Plan wurde 1934 der Weg vorgezeichnet, es folgte der Vierjahresplan von 1936, der Schnellplan von 1938 und der Schell-Plan im Jahr 1939.

Der Schell-Plan war ein kurz vor dem Zweiten Weltkrieg von Oberst Adolf von Schell (1893–1967) entwickeltes wirtschaftspolitisches Programm zur Vereinheitlichung der reichsdeutschen Motorrad- und Automobilfertigung. Ziele waren die einfachere Wartung und Instandhaltung des Wehrmachtfuhrparks sowie eine effizientere Produktion durch eine drastische Reduzierung der Pkw- und Lkw-Typen und eine Vereinheitlichung ihrer Bauteile. Der Schell-Plan gehört damit im Rahmen des Vierjahresplans zu den wirtschaftspolitischen Kriegsvorbereitungen, die vor dem Zweiten Weltkrieg getroffen wurden.

Schon in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts gab es eine wachsende deutsche und österreichische Fahrzeugindustrie und damit rege Konkurrenz zwischen den verschiedenen Automobilherstellern, was zu einer Vielzahl verschiedener Fahrzeugtypen führte. 1938 wurden so 130 verschiedene Lkw-Typen produziert und unter anderem an die Wehrmacht ausgeliefert.[1] Im Kriegsfall hätte das für die Wehrmacht große Schwierigkeiten bedeutet, da eine große Zahl verschiedener Ersatzteile und die Ausbildung an vielen Fahrzeugtypen nötig geworden wäre. Auch die Massenproduktion im Krieg wäre durch eine niedrige Typenzahl deutlich einfacher.

Aus diesen Gründen ernannte Hermann Göring, der als Chef der Vierjahresplanbehörde dafür verantwortlich war, die deutsche Industrie auf den Krieg vorzubereiten, Oberst von Schell am 15. November 1938 zum „Generalbevollmächtigten für das Kraftfahrwesen“ (GBK). Er sollte in Zusammenarbeit mit der Automobilindustrie die Produktionsverhältnisse neu ordnen.

Am 2. März 1939 erließ Göring als Beauftragter für den Vierjahresplan die „Verordnung über die Typenbegrenzung in der Kraftfahrzeugindustrie“, nach der die „(§ 1.1) Herstellung von Kraftfahrzeugen und ihren Anhängern“ den (§ 2) Vorschriften des Generalbevollmächtigten für das Kraftfahrwesen unterliegen; der „(§ 1.2) Generalbevollmächtigte setzt Bauart, Hubraumklassen, Typenzahlen und Nutzlastgrenzen fest, die jeweils vom Hersteller einzuhalten sind“; außerdem bestimmt er „(§ 1.3) die Fabriken, die Motoren für Motorfahrräder herstellen dürfen“ und erlässt Ausführungsvorschriften.[2]

Schell legte sein „Programm zur Beschränkung von Kraftfahrzeugtypen“ am 15. März 1939 vor. Es sah nur einige wenige Grundtypen für Motorräder, Lkw und Pkw vor. Die 114 bislang existierenden Lkw-Typen wurden auf 19, auf vier Grundtypen aufbauende Modelle reduziert, die Pkw-Typen von 52 auf 29. Die Reichsregierung bewilligte den Schell-Plan, er trat am 1. Januar 1940 in Kraft.[3](a) Die Aufteilung der Fahrzeugproduktion wurde wie folgt vorgesehen, wobei die Fertigung von Pkw bereits ab Mitte 1940 zugunsten der Kriegswirtschaft schrittweise eingestellt wurde:[4]

Lkw 1,5 t Lkw 3 t Lkw 4,5 t Lkw 6,5 t
Opel Opel Daimler-Benz Daimler-Benz
Phänomen Ford Büssing-NAG MAN
Steyr Borgward MAN Krupp
Daimler-Benz Saurer Vomag
Magirus Henschel
MAN Magirus
Hersteller Typen-Plan
ab 1940
Bau-Typen
Bauzeit
Adler 3 Pkw-Typen Adler Trumpf Junior
(1936–1941)
Auto-Union 7 Pkw-Typen Zeitleiste
Borgward 1 Pkw-Typ Hansa 2000
(1937–1942)
BMW 1 Pkw-Typ BMW 335
(1939–1941)
Daimler-Benz 6 Pkw-Typen Zeitleiste
Ford 2 Pkw-Typen Ford Taunus G93A
(1939–1942)
Hersteller Typen-Plan
ab 1940
Bau-Typen
Bauzeit
Hanomag 1 Pkw-Typ Hanomag 1,3 Liter
(1939–1941)
Maybach 1 Pkw-Typ Maybach SW 42
(1939–1941)
Opel 4 Pkw-Typen Zeitleiste
Steyr 1 Pkw-Typ Steyr 55
(1938–1940)
Stoewer 1 Pkw-Typ Stoewer Sedina
(1937–1940)
Tatra 1 Pkw-Typ Tatra 57 B
(1938–1940)

Danach waren die Hersteller in ihrer Handlungsfreiheit erheblich eingeschränkt. Ihnen wurde in weiten Zügen diktiert, in welcher Form und in welcher Auflage sie welche Modelle zu produzieren hatten. Der gesamte Produktionsrahmen war dadurch den Bedürfnissen der Wehrmacht unterworfen. Ein deutliches Beispiel für einen durch den Schell-Plan völlig umgewandelten Kraftfahrzeughersteller war Borgward. War Borgward vor dem Krieg noch in erster Linie ein Hersteller von zivilen Personenkraftwagen, so musste im weiteren Verlauf der Produktionsschwerpunkt rasch auf Heeres-Lkw, Artilleriezugmaschinen und Schützenpanzerwagen umgestellt werden.[5] Wie auch für Büssing bekannt, waren viele Hersteller von tiefgreifenden Änderungen betroffen, zu denen nur wenige Ausnahmen geplant wurden.[6] Die Umstellung der Pkw-Produktion war teilweise von den Plänen zur Entwicklung neuer Fahrzeugtypen für KdF- bzw. Volkswagen und andererseits mit der Umstellung auf Kriegsproduktion überschattet. Am 16. Januar 1942 wurde Jakob Werlin von Hitler zum Generalinspekteur des Führers für das Kraftfahrwesen ernannt.[7]

Trotz des Schell-Plans und den Bemühungen den Aufwand für Beschaffung und Logistik durch die Verwendung von Gleichteilen zu dämpfen, kam es in der Praxis durch vielfältige Ausstattungsvarianten und Sonderbauten zu einer riesigen Anzahl von Fahrzeugvarianten, die weitgehend in der Liste von Radfahrzeugen der Wehrmacht und in der Liste der Sonderkraftfahrzeuge der Wehrmacht aufgeführt sind und beim tatsächlich genutzten Fuhrpark durch viele Varianten von Beutefahrzeugen ergänzt wurden. Siehe dazu die Gruppe der Beutefahrzeuge gemäß den Kennblättern fremden Geräts.

Wirtschafts- und Rüstungspläne der NS-Zeit[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Schell-Plan war eines der Programme, mit denen die deutsche Wirtschaft koordiniert werden sollte. Ihm folgte das Rüstungsprogramm B (auch: Rüstungsprogramm »Kriegsheer 1941«) als Plan für die Aufrüstung der Wehrmacht für den Krieg gegen die Sowjetunion. Es wurde im August 1940 entworfen und am 28. August 1940 vom Chef der Heeresrüstung Friedrich Fromm angeordnet. Die Expansion der Kriegswirtschaft wurde von etlichen weiteren Programmen begleitet.

Die Koordination dieser Pläne und die Gewichtung von Interessen sollte ab 1942 beim Ausschuss für Zentrale Planung im Reichsministerium für Rüstung und Kriegsproduktion erfolgen. Der Überblick der Pläne ist teilweise schwer nachvollziehbar, wobei etliche dieser Pläne in Personal- oder Amtsunion von Wehrwirtschaftsführern sowie in fusionierten Wirtschaftsgebilden wie den Reichswerken Hermann Göring betreut und umgesetzt werden sollten. Dass es dabei zu Konkurrenzsituationen kam, ist insbesondere vom Thema Luftrüstung gegen Panzerrüstung und vom Wirken der Konstrukteure wie Ferdinand Porsche oder Hans Ledwinka bekannt. Im Bereich der Kraftfahrzeugfertigung waren auch die Betriebe in annektierten oder besetzten Gebieten betroffen, wie es bei Unternehmen wie den Österreichischen Saurerwerken und Škoda sowie Tatra der Fall war. Am 25. Juli 1944 erschien im Reichsgesetzblatt Hitlers Erlass über den Totalen Krieg. Von diesem Erlass wurden alle früheren Pläne betroffen.[8] Nachfolgend eine unvollständige Übersicht der Pläne, welche die Belange der Kraftfahrzeugwesens berührten:

1938 1939 1940 1941 1942 1943 1944
Schnellplan Schell-Plan Rüstungsprogramm B Göring-Programm Iwan-Programm Adolf-Hitler-Panzerprogramm Mineralölsicherungsplan

Internationale Aspekte und Nachwirkungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Kriegswirtschaft im Zweiten Weltkrieg und die Koordination militärisch-industrieller Komplexe wurde mehr oder weniger stark von allen Kriegsparteien betrieben. In Frankreich wirkte der 1944 beschlossene Plan-Pons mit ähnlichen Vorgaben wie beim Schell-Plan bis in die Nachkriegszeit im Rahmen der französischen Planification weiter. Paul Marie Pons wurde vom Commissariat général du Plan damit beauftragt, seine Pläne zur Restrukturierung der französischen Automobilindustrie weiterhin zu betreuen.[9][10] Die Alliierten profitierten ab 1941 von dem Leih- und Pachtgesetz. Im Frühjahr 1942 wurde nach dem Kriegseintritt der USA das War Production Board eingerichtet und mit weitreichenden Befugnissen ausgestattet.

Nach Deutschlands Kapitulation und dem Niedergang der Industrie waren Wirtschaftspläne aus der NS-Zeit überholt. Wie von der Geschichte der „Wolfsburg Motor Works“ und der späteren Volkswagen AG bekannt, war es schwer, überhaupt die Produktion von Fahrzeugen in den westalliierten Besatzungszonen und in der Sowjetischen Besatzungszone von Deutschland zu revitalisieren. In der DDR wurde die Kraftfahrzeugindustrie kollektiviert und im Rahmen des Demokratischen Zentralismus in der DDR mit dem Fünfjahresplan der DDR gesteuert. Das European Recovery Program (ERP), besser bekannt als Marshallplan, wurde aufgelegt, um die Wirtschaft Europas beim Wiederaufbau zu stützen. Der westeuropäische Wirtschaftsraum konnte davon profitieren, während der spätere Ostblock das System der Zentralverwaltungswirtschaft verfolgte.

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Horst Beiersdorf: KfZ-Anhänger der Wehrmacht 1935 - 1945. Podzun-Pallas, Friedberg 1994, ISBN 3-7909-0454-6.
  • Marc Bergère et al.: L'épuration économique en France à la Libération. Presses universitaires de Rennes, Rennes 2008, ISBN 2-7535-3086-6.
  • Dietrich Eichholtz et al.: Geschichte der deutschen Kriegswirtschaft 1939-1945. Reprint 2012 Auflage. De Gruyter, Boston 2003, ISBN 978-3-11-183765-9.
  • Sven Feyer: Die MAN im Dritten Reich. Ein Maschinenbauunternehmen zwischen Weltwirtschaftskrise und Währungsreform. Nomos, Baden-Baden 2018, ISBN 978-3-8487-4338-4.
  • Reinhard Frank: Personenkraftwagen der Wehrmacht Kübelwagen, Einheits-Pkw, eingezogene und erbeutete Personenwagen im Einsatz. Podzun-Pallas, Friedberg 1999, ISBN 3-7909-0486-4.
  • Neil Gregor: Stern und Hakenkreuz: Daimler-Benz im Dritten Reich. Aus dem Engl. von Waltraud Götting und Karl Heinz Silber. Propyläen, Berlin 1997, ISBN 3-549-05604-4.
  • Peter Kirchberg: Automobilgeschichte in Deutschland. Die Motorisierungswellen bis 1939. Georg-Olms-Verlag, Hildesheim 2021, ISBN 978-3-487-08642-2.
  • Peter Kirchberg: Heeresmotorisierung, Schell-Programm und die Auto-Union. In: Peter Kirchberg (Hrsg.): Vom Horch zum Munga : Militärfahrzeuge der Auto-Union. Delius Klasing, Bielefeld 2010, ISBN 978-3-7688-3143-7, S. 90–96.
  • Pat Ware, Alexander Lüdeke: Die Lastkraftwagen der deutschen Wehrmacht. GeraMond, München 2014, ISBN 3-86245-670-6.
  • Hans-Georg Mayer-Stein: Der mittlere Einheits-PKW der deutschen Wehrmacht 1937–1945. Podzun-Pallas, Friedberg 1995, DNB 950421235 (scribd.com).
  • Frank Rönicke: Typenkompass deutsche Militärmotorräder seit 1905. 1. Auflage. Motorbuch, Stuttgart 2010, ISBN 978-3-613-03215-6.
  • Waldemar Trojca: LKW und Zugmaschinen und PKW der Wehrmacht. 1. Auflage. Band 1. VDM Nickel, Zweibrücken 2003, ISBN 3-925480-74-9.
  • Waldemar Trojca: LKW und Zugmaschinen und PKW der Wehrmacht. 1. Auflage. Band 2. VDM Nickel, Zweibrücken 2004, ISBN 3-925480-91-9.

Anmerkungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

(a) 
In den Ausführungsvorschriften des GBK vom 15. März 1939 heißt es über die betroffenen Kraftfahrzeuge, Motoren und Anhänger: „hat deren Herstellung zeitlich so einzusetzen, daß unter Vermeidung einer Lücke in der Fabrikation ab 1. 1. 1940 nur noch die vorstehend aufgeführten Typen erstmalig zum Verkehr auf öffentlichen Straßen zur Zulassung gelangen.“

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Holger Erdmann: Der Schell-Plan. In: kfzderwehrmacht.de. 10. August 2018;.

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Peter Kirchberg: Heeresmotorisierung, Schell-Programm und die Auto-Union. S. 93.
  2. Hermann Göring: Verordnung über die Typenbegrenzung in der deutschen Kraftfahrtzeugindustrie. In: Reichsgesetzblatt, Teil I. 2. März 1939, S. 386, abgerufen am 26. August 2022.
  3. Thomas Nosske: Ereignisse 1939. In: hs-merseburg.de. 15. September 2006, archiviert vom Original am 29. März 2021; abgerufen am 29. März 2021.
  4. Pkw-Typenaufteilung: Peter Kirchberg: Automobilgeschichte in Deutschland. Die Motorisierungswellen bis 1939. Georg-Olms-Verlag, Hildesheim 2021, ISBN 978-3-487-08642-2, S. 524 („Nach dem Schellprogramm durften noch folgende Firmen zivile PKW bauen:“).
  5. Andreas Falkenhagen, Christoph W. O. Matthies, Maik Ziemann: Die Automobilindustrie im Nationalsozialismus. In: millennum.de. 1. September 2006, archiviert vom Original am 18. Juli 2009; abgerufen am 29. März 2021.
  6. Frank Richter: Büssing: 1931 bis 1971 – Teil 2. Buchrezension. In: modellversium.de. 16. April 2016, abgerufen am 25. August 2022.
  7. Adolf Hitler: Erlaß des Führers über die Bestellung eines Generalinspektors des Führers für das Kraftfahrwesen. In: Reichsgesetzblatt, Teil I. 16. Januar 1942, S. 25–26, abgerufen am 5. September 2022.
  8. Adolf Hitler: Erlaß des Führers über den totalen Kriegseinsatz. In: Reichsgesetzblatt, Teil I. 25. Juli 1944, S. 161, abgerufen am 26. August 2022.
  9. Marc Bergère et al.: L'épuration économique en France à la Libération. Presses universitaires de Rennes, Rennes 2008, ISBN 2-7535-3086-6.
  10. Patrick Friedenson: L’innovation dans la construction automobile sous l’Occupation. In: Les Cahiers de Recits, Seminaire de Rechcherche Recits Guerre, Transports et Industries. n°2 janvier 2002-juin 2003 Auflage. Recits, Belfort 2003, S. 63−74 (utbm.fr [PDF; 3,6 MB]).