Schwabenhaus (Tübingen)

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„Schwabenhaus“, früher das Haus des Corps Suevia Tübingen, heute Sitz der Evangelischen Hochschule für Kirchenmusik
Darstellung als Corpshaus um 1910
Schwabenhaus mit Neckarfront und Stiftskirche im Hintergrund

Das Schwabenhaus (auch: Altes Schwabenhaus) ist ein historistisches Gebäude am linken Neckarufer in der Tübinger Innenstadt, Gartenstraße 12, in dem heute die Evangelische Hochschule für Kirchenmusik Tübingen ihren Sitz hat. Seinen Namen hat das Gebäude von der Studentenverbindung Corps Suevia Tübingen, den „Tübinger Schwaben“, die die ehemalige Badeanstalt von 1899 bis 1900 als Korporationshaus ausgebaut und bis 1936 alleine genutzt haben.

Denkmaleigenschaft[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Gebäude ist ein Kulturdenkmal: „Es ist dem französischen Rokokostil nachempfunden und steht im positiven Gegensatz zu den teutonischen Trutzburgen der übrigen Verbindungshäuser“ und stellt einen wichtigen Beitrag des Historismus mit leichten Jugendstileinflüssen dar und wurde aufgrund seiner „kulturgeschichtlichen und heimatkundlichen Bedeutung“ in den 1970er Jahren ins Denkmalbuch eintragen, dies gegen den erklärten Widerstand der Stadt Tübingen.[1]

Vorgeschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Auf dem Grundstück am Neckarufer in der Gartenstraße eröffnete am 1. Juni 1868 der Zimmermeister Julius Haller eine Badeanstalt. Das Gebäude bestand aus einem einstöckigen Mittelbau und zwei zweistöckigen Seitenflügeln. Nach dem Tode des Meisters und seiner Frau führten zwei seiner Kinder die Badeanstalt weiter. Im Jahre 1898 verkauften die Kinder das Grundstück mit Garten für 44.000 Mark an den Verein alter Tübinger Schwaben (VATS), den Altherrenverein des Corps Suevia.[1]

Nutzung als Corpshaus[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Wilhelm II., König von Württemberg, Aufnahme von 1903, im Couleur der Tübinger Schwaben

Das Corps Suevia hatte bereits im Jahre 1885 ein erstes Corpshaus in der Neckarhalde 66 erworben. Diese Unterkunft erwies sich aber schon bald als völlig unzureichend, das Bedürfnis nach „einem größeren Kneiplokal“ kam auf. Am 28. September 1898 genehmigte die Generalversammlung des Corps den Ankauf des Grundstücks in der Gartenstraße, im Sommersemester 1899 wurde mit dem Bau begonnen und im Frühjahr 1900 wurde er vollendet. Am 19. Mai 1900 fand die feierliche Übergabe des Corpshauses in Gegenwart von König Wilhelm II. von Württemberg statt, der auch Alter Herr des Corps war.

Große Kneipe im Schwabenhaus um 1900

Der Entwurf des Corpshauses stammte vom Architektenbüro Eisenlohr & Weigle, Stuttgart. Sie entwarfen einen Bau mit hohem Mansarddach, dreistöckig zur Straße und vierstöckig zum Fluss. Dem Ziegelmauerwerk wurde eine Putzfassade vorgeblendet, die horizontal gegliedert wurde durch reich gestaltete und in sich wieder gekröpfte Gesimse. Die vertikale Gliederung erfolgte durch Riesenquader vortäuschende Pilaster und Ecklisenen. Die dominierenden Farben waren weiß und rosa. Das ausgebaute Dachgeschoss erhielt eine Reihe von dekorierten Gauben. Stuckierte Vasen und Zierreliefs verliehen dem Bau einen Anklang an den Jugendstil.

Zentrum des Hauses war die im ersten Stock gelegene, sieben Meter hohe „große Kneipe“ mit Musikloge. Der große Raum ließ sich durch das Öffnen der Verbindungstür mit der „kleinen Kneipe“ zusammenführen. Beide Räume boten zusammen Platz für über 100 Personen.

Im Mittelgeschoss befanden sich ein Konventzimmer mit Nebenraum, ein Gastzimmer und mehrere Schlafräume für die Dienerschaft. Der zweite Stock enthielt vier Studentenwohnungen für die aktiven Corpsstudenten der Suevia. In der Etage stand auch ein Badezimmer zur Verfügung.

Im zum Fluss hin offenen Erdgeschoss befand sich die Wohnung des Hausmeisters, der Fechtübungsraum der Studenten (siehe auch Mensur), der Raum für die Niederdruck-Dampf-Heizanlage und die Küche. Darunter befand sich ein Keller, der durch einen Speiseaufzug mit den oberen Räumlichkeiten verbunden war.

Offizierskasino im Zweiten Weltkrieg[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Aufgrund des Drucks der Nationalsozialisten musste Suevia 1936 den Aktivenbetrieb einstellen. Der Altherrenverein beschloss, das Haus trotz der ungewissen Lage nicht zu verkaufen. Im Oktober 1940 wurden die Räumlichkeiten beschlagnahmt und die Wehrmacht nutzte Keller, Erdgeschoss und Teile des zweiten Stocks als Kasino. Im April 1942 mietete die Heeresstandortverwaltung das Haus mitsamt der Einrichtung und nutzte es ab August 1942 als Lazarett des Heeres für die Behandlung von sehbehinderten und erblindeten Soldaten.

Das Haus wurde beschädigt, als in der Nacht vom 15. auf den 16. März 1944 eine Luftmine bei der Neckarbrücke einschlug. Alle Fenster und Türen wurden zerstört und das Dach teilweise abgedeckt. Auch einige Wände waren betroffen.

Nachkriegszeit[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nach Kriegsende beschlagnahmte das französische Militär das Haus und nutzte es unter anderem als Unteroffizierskasino. Nachdem das Haus für die zivile Nutzung freigegeben worden war, zog im Herbst 1949 das Kaiser-Wilhelm-Institut (später Max-Planck-Institut) für ausländisches und internationales Privatrecht in das Haus ein. Dazu wurden Umbaumaßnahmen vorgenommen wie der Einbau eines dreistöckigen Stahlgerüsts in den Kneipsaal, das die Institutsbibliothek aufnehmen sollte.

Die Stadt Tübingen kaufte es im Jahre 1953 dem Verein alter Tübinger Schwaben für 55.000 D-Mark ab.[2]

Von etwa Mitte 1959 bis 1972 war in dem Schwabenhaus der „Jugendclub“ untergebracht, in dem zuerst in privater Initiative, dann als offizielle Jugendarbeit von Stadt und Kreis Tübingen Veranstaltungen für junge Leute von 16 bis 21 Jahren durchgeführt wurden.[1]

Während der 1960er Jahre befanden sich in dem Gebäude auch ein Kindergarten, ein Altersclub, und ein Studentenwohnheim.

Die Stadt Tübingen zog jedoch bereits in den 1960er Jahren einen Abbruch des Gebäudes in Erwägung. Es bestanden Planungen für eine Gesamtbebauung zusammen mit dem bereits der Stadt gehörenden Nachbargrundstück. Ein entsprechender Bebauungsplan wurde 1968 genehmigt.[1]

Abrisspläne und Erhalt als Bildungsstätte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Moderne Bildungsstätte: Evangelische Hochschule für Kirchenmusik

Widerstand gegen den Abriss des Schwabenhauses kam von einer Bürgerinitiative und dem Landesdenkmalamt. Der lang andauernde Streit wurde sowohl mit politischen, als auch mit juristischen Mitteln ausgetragen. Die Stadt Tübingen klagte auf Abbruch und verlor auch in der Revision beim Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg in Mannheim.[1] Die Klage wurde abgewiesen. Die Sanierung des Gebäudes konnte Ende 1976 beginnen. Am 15. August 1978 wurde das Gebäude an die Volkshochschule übergeben, die es mehrere Jahre nutzte.[3]

Seit 1998 ist die Evangelische Hochschule für Kirchenmusik Tübingen im Schwabenhaus untergebracht. Dort stehen den Studenten und Dozenten unter anderem fünf Orgeln, fünf Flügel, acht Klaviere, drei Cembali und zwei Keyboards zur Verfügung. Des Weiteren verfügt die Hochschule über eine gut sortierte Musikbibliothek und über eine großzügige Orgelnotenbibliothek, die mit ihren über 8.000 Bänden europaweit etwas Besonderes darstellt.

Quellen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b c d e Bau und Nutzungsgeschichte auf der Homepage der Gemeinschaft der ehemaligen Mitglieder des Jugendclubs Tübingen (Memento des Originals vom 3. Mai 2013 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/schwabenhaus-jugendclub.de
  2. Arnold Sieveking, Wilhelm Girardet, Vladimir Freiherr von Schnurbein, Nicolaus Fallmeier: Eckdaten zur Corpsgeschichte Suevia Tübingens - zur Geschichte der Schwabenhäuser. In: Wilhelm G. Neusel (Hrsg.): Kleine Burgen, große Villen - Tübinger Verbindungshäuser im Porträt, Tübingen 2009, S. 232–241, ISBN 978-3-924123-70-3
  3. „Als das Tübinger Schwabenhaus gerettet wurde“, Schwäbisches Tagblatt vom 7. August 2009

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Arnold Sieveking, Wilhelm Girardet, Vladimir Freiherr von Schnurbein, Nicolaus Fallmeier: Eckdaten zur Corpsgeschichte Suevia Tübingens – zur Geschichte der Schwabenhäuser. In: Wilhelm G. Neusel (Hrsg.): Kleine Burgen, große Villen – Tübinger Verbindungshäuser im Porträt, Tübingen 2009, S. 232–241, ISBN 978-3-924123-70-3
  • Hubert Krins: Das Verwaltungsgericht entscheidet … Das Schwabenhaus-Urteil. In: Denkmalpflege in Baden-Württemberg, 5. Jg. 1976, Heft 1, S. 14–16 (PDF)

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Schwabenhaus – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Koordinaten: 48° 31′ 8,6″ N, 9° 3′ 36,3″ O