Sturz (Architektur)
Van Wikipedia, de gratis encyclopedie
Ein Sturz ist in der Architektur der waagerechte obere Abschluss einer Tür- oder Fensteröffnung.[1]
Wortherleitung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Der alte Begriff Sturz ist im Zusammenhang mit Türen und Fenstern seit etwa dem Jahr 1000 überliefert. Die Etymologie bietet als eine mögliche Herleitung die transitive Bedeutung „hinunterstürzen; umstülpen“ an, was in diesem Zusammenhang ein – im Gegensatz zur unten liegenden Schwelle – umgestülptes Bauteil bedeuten würde. Fenster- und Türsturz seien demnach metaphorische „Umstülpungen des Mauerwerks“.[2] Wohl aus diesem Grund wurde daher der Sturz früher auch als Oberschwelle[3][4] bezeichnet.
Weitere Begriffe
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]In Österreich wird ein Sturz auch als Überlager[5] bezeichnet.
Im Fachwerkbau heißt der Sturz Sturzriegel. Im Stahlbau nennt man einen Sturz auch Träger.
In der romanischen und gotischen Sakralarchitektur, bei der repräsentativ Türstürze in die Gestaltung des aufruhenden Tympanons einbezogen wurden, spricht man von einem Linteau (franz.) oder Lintel (engl.).
Obwohl der Sturz definitionsgemäß zumeist als gerade Überfangung einer Maueröffnung betrachtet wird, sind früher verschiedentlich auch bogenförmige Abschlüsse als „Bogensturz“[6][3] bezeichnet worden.
Konstruktion, Verwendung und Gestaltung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die ersten Tür- oder Fensterstürze waren wahrscheinlich hölzerne Balken. Später wurden sie durch aufwändiger zu bearbeitende Werksteine abgelöst, die in Einzelfällen monumentale Abmessungen erreichen konnten (vgl. Stonehenge, Portata von Naxos).
Um einen steinernen Sturz gegen Durchbrechen zu entlasten, kann er mit einem Entlastungsbogen überspannt sein. Die gegenüber der Balkenwirkung statisch günstigere Bogenwirkung kann innerhalb eines geraden Sturzes auch als scheitrechter Bogen (scheitrechter Sturz[7]) ausgebildet sein.
Das vor allem als barockes Gestaltungsprinzip verstandene Motiv der Ohrung geht konstruktiv auf den seitlich über die Fenster- oder Türöffnung hinausreichenden Sturz zurück. Hauptartikel → Ohrung (Ornament)
Die herausgehobene Position des Sturzes vor allem über Portalen und Haustüren hat in der Architektur zu besonderen Gestaltungen geführt, oftmals wurde der Sturz auch zum Träger von Inschriften, Wappen oder Bildprogrammen.
Das Bauprinzip des Sturzes wird auch auf andere Bauteile als Türen und Fensterabschlüsse übertragen, etwa auf offene Kamine, wo der Sturz die Kaminhaube abfängt.
- Hölzerer Türsturz mit gemauertem Entlastungsbogen
- Fachwerkhaus mit Sturzriegeln über Haustür und Fenstern
- Drei monumentale steinerne Sturzbalken in Stonehenge
- Steinerner Türsturz mit Inschrift
- Steinerner Sturz in Dachform, mit Bildprogramm
- Steinerner Sturz (gebrochen) als Inschriftenträger
- Steinerner Türsturz der Barockzeit mit Inschriften und Wappen
- Steinerner Türsturz als Bildträger
- Sturzbalken in einem klassizistischen Rundbogenportal
- Steinerner Sturz eines dreiteilig gekuppelten Fensters, darüber ein Entlastungsbogen
- Entlastungsbogen über einem steinernen Fenstersturz
- Romanisches Kirchenpartal mit steinernem Türsturz, Entlastungsbogen und Überfangungsbogen
- Steinerner Fenstersturz als scheitrechter Bogen
- Scheitrechter Sturz mit Hakensteinen[8]
- Renaissance-Kamin mit reich verziertem Sturz unter der Kaminhaube
Moderne Technik
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Im modernen Bauwesen gibt es beim Sturz verschiedene vorgefertigte Varianten: den Ziegelsturz, den Betonsturz und den Stahlsturz. Wenn mit vorgeblendeten Kalksand- oder Zementsteinen gearbeitet wird, verwendet man in der Regel Beton- oder Stahlstürze, bei der Arbeit mit Back- oder Leichtbackstein manchmal Tonstürze.
- Vorgefertigte Betonstürze gibt es in verschiedenen Breiten und Längen. Sie werden aber auch vor Ort als Stahlbetonbalken passend gegossen.
- Ziegelstürze gibt es vorgefertigt in den verschiedenen Breiten wie das Mauerwerk und verschiedenen Längen.
- Stahlstürze werden über Träger realisiert.
- Für Mauerwerk aus Porenbeton gibt es vorgefertigte bewehrte Sturze aus Porenbeton mit standardisierten Abmessungen.
Sobald das Mauerwerk eine gewisse Breite überschreitet, werden oft zwei oder mehr Stürze nebeneinander gelegt.
- Scheitrechter Ziegelsturz
- Vorgefertigte Ziegelstürze mit Stahlbetoneinlage vor dem Einbau
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Hans Koepf, Günther Binding: Bildwörterbuch der Architektur. Mit englischem, französischem, italienischem und spanischem Fachglossar (= Kröners Taschenausgabe. Band 194). 4., überarbeitete Auflage. Kröner, Stuttgart 2005, ISBN 3-520-19404-X, S. 413: Scheitrechter Sturz; S. 455: Sturz; moodle.unifr.ch (PDF; 15 MB) abgerufen am 23. Februar 2024.
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Sturz. architektur-lexikon.de
- Was ist ein Fenster- oder Türsturz? baustoffwissen.de
- Fenstersturz und Türsturz. haus.de
- Betonsturz selber bauen. YouTube.
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Hans Koepf, Günther Binding: Bildwörterbuch der Architektur. Mit englischem, französischem, italienischem und spanischem Fachglossar (= Kröners Taschenausgabe. Band 194). 4., überarbeitete Auflage. Kröner, Stuttgart 2005, ISBN 3-520-19404-X, S. 455: Sturz. moodle.unifr.ch (PDF; 15 MB); abgerufen am 23. Februar 2024.
- ↑ Bettina Bock: Sturz. In: dwee.saw-leipzig.de (Deutsche Wortfeldetymologie). Sächsische Akademie der Wissenschaften zu Leipzig, abgerufen am 23. Februar 2024.
- ↑ a b Oscar Mothes (Hrsg.): Illustrirtes Bau-Lexikon (…), Band 4: Q bis Z. Leipzig 1884, S. 288: Sturz. digi.ub.uni-heidelberg.de abgerufen am 23. Februar 2024.
- ↑ Johann Friedrich Penther: Ausführliche Anleitung zur bürgerlichen Bau-Kunst (Band 1): Enthaltend ein Lexicon Architectonicum oder Erklärungen der üblichsten Deutschen, Französischen, Italiänischen Kunst-Wörter der Bürgerlichen Bau-Kunst (…). Johann Andreas Pfeffel, Augspurg 1744, S. 148: Sturtz, Ober=Schwellen. digi.ub.uni-heidelberg.de abgerufen am 23. Februar 2024.
- ↑ Sturz & Überlager. In: baustoff-shop.at. Abgerufen am 23. Februar 2024.
- ↑ Bogensturz. In: Heinrich August Pierer, Julius Löbe (Hrsg.): Universal-Lexikon der Gegenwart und Vergangenheit. 4. Auflage. Band 3: Bodmerei–Chimpansee. Altenburg 1857, S. 7 (Digitalisat. zeno.org).
- ↑ Hans Koepf, Günther Binding: Bildwörterbuch der Architektur. Mit englischem, französischem, italienischem und spanischem Fachglossar (= Kröners Taschenausgabe, Band 194). 4., überarbeitete Auflage. Kröner, Stuttgart 2005, ISBN 3-520-19404-X, S. 413: Scheitrechter Sturz. moodle.unifr.ch (PDF; 15 MB); abgerufen am 23. Februar 2024.
- ↑ Hans Koepf, Günther Binding: Bildwörterbuch der Architektur. Mit englischem, französischem, italienischem und spanischem Fachglossar (= Kröners Taschenausgabe, Band 194). 4., überarbeitete Auflage. Kröner, Stuttgart 2005, ISBN 3-520-19404-X, S. 233: Hakenstein. moodle.unifr.ch (PDF; 15 MB) abgerufen am 23. Februar 2024.