Harold Byrns

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Harold Byrns (eigentlich Hans Bernstein;[1] vollständiger Name Hans Julius Bernstein;[2] geboren 13. September 1903 in Hannover; gestorben 22. Februar 1977 in Berlin) war ein deutscher Musiker, Dirigent und Komponist.[1]

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Hans Bernstein wurde zur Zeit des Deutschen Kaiserreichs zu Beginn des 20. Jahrhunderts geboren als Sohn des aus jüdischer Familie stammenden Konzertagenten Arthur Bernstein und dessen Ehefrau Ottilie, die gemeinsam in Hannover eine bald international bekannte Konzertagentur aufbauten.[3] Nach dem Ersten Weltkrieg und im Jahr vor dem Höhepunkt der Deutschen Hyperinflation bestand er 1922 sein Abitur an der hannoverschen Leibnizschule. Seine musikalische Ausbildung erhielt er anschließend vor allem in Berlin am Stern’schen Konservatorium. Zu seinen Lehrern zählten Walter Gieseking, Franz Schreker, Erich Kleiber und Leo Blech.[4]

Bernstein wirkte zeitweilig als Korrepetitor an der Berliner Staatsoper sowie als Kapellmeister in Lübeck und Oldenburg. Noch während der Weimarer Republik wurde er jedoch 1932 durch die bereits nationalsozialistische Oldenburger Landesregierung entlassen.[4]

Nach der reichsweiten Machtergreifung durch die Nationalsozialisten und der systematisch betriebenen Ausgrenzung jüdischer Künstler gastierte Bernstein 1933 und 1934 als Konzertdirigent in mehreren italienischen Städten. In Rom begegnete er erstmals dem Komponisten Igor Strawinsky, als dieser mit seinem Sohn das Concerto for Two Pianos spielte. Im April 1935 emigrierte Bernstein gemeinsam mit seiner Ehefrau Helena Bernstein vollends zunächst nach Italien, wo er noch arbeiten durfte.[3]

Ihr Eigentum, darunter zahlreiche wertvolle Bücher, hatten die Bernsteins im Bremer Freihafen eingelagert, bevor sie Ende 1936 in die USA emigrierten. Dort änderte Hans Bernstein seinen Namen und nannte sich seitdem Harold Byrns. Als Flüchtling und Einwanderer musste er seinen Lebensunterhalt verdienen,[3] arbeitete anfangs in New York, später in Los Angeles. In den Vereinigten Staaten schrieb er Arrangements für Orchester und Filmmusik. Dort auch stand er in Kontakt zu Arnold Schönberg.[4] Unterdessen war in Deutschland das in Bremen eingelagerte Umzugsgut der Familie, neben Partituren und Manuskripten, darunter Autographen von Ludwig van Beethoven und Richard Wagner, durch Verfügung der Geheimen Staatspolizei, Staatspolizeistelle Bremen, vom 2. März 1942 „beschlagnahmt und dem Reich für verfallen erklärt“ worden.[3]

Nach dem Zweiten Weltkrieg gründete Byrns 1948 das Los Angeles Chamber Symphonie Orchestra, mit dem er vor allem zeitgenössische Stücke aufführte mit Werken von Komponisten wie Bela Bartók, Alban Berg, Arthur Honegger, Arnold Schönberg, Igor Strawinsky und Josef Suk.[4]

1954 kehrte Harold Byrns nach Europa zurück,[4] folgte einer Einladung des italienischen Rundfunks Radiotelevisione Italiana (RAI). Im Oktober desselben Jahres dirigierte er die Wiener Symphoniker. Noch 1956 lebte Byrns mit seiner Frau Helene in Wien,[3] gastierte jedoch im April des Jahres in seiner Geburtsstadt, der seinerzeit noch von der Nachkriegszeit geprägten Landeshauptstadt Hannover.[4] Später übersiedelte die Familie Byrns nach Berlin.[3]

Harold Byrns setzte sich mit einem besonderen Engagement für die Musik von Gustav Mahler ein, dessen Sinfonien er für die 1960 erschienene Werkausgabe Mahlers revidierte. Die amerikanische Gustav Mahler Society of New York ehrte Byrns schließlich mit der Verleihung der Großen Mahler-Medaille. Darüber hinaus hatte Harold Byrns entscheidenden Anteil an der 1963 erfolgten Aufhebung des Verbots von Mahlers unvollendeter 10. Sinfonie durch Alma Mahler-Werfel.[4]

Im geteilten Nachkriegsdeutschland dirigierte Byrns in den Jahren 1957 bis 1961 Opern von Mozart in der Inszenierung von Walter Felsenstein in der Komischen Oper im damaligen Ost-Berlin. Ab 1963 wirkte Harold Byrns als ständiger Gastdirigent der Orchester des Israelischen Rundfunks, später auch des Norddeutschen Rundfunks (NDR). 1971 dirigierte er Schönbergs Opernfragment Moses und Aron an der Deutschen Oper im seinerzeitigen West-Berlin.[5]

An die Eltern Byrns, Arthur und Ottilie Bernstein, erinnert eine Inschrift am Familiengrab auf dem Jüdischen Friedhof Bothfeld.[3]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Kurzgefaßtes Tonkünstlerlexikon, Zweiter Teil: Ergänzungen und Erweiterungen seit 1937, Band 1: A–K, hrsg. von Paul Frank und Wilhelm Altmann, fortgeführt von B. Bulling, F. Noetzel und Helmut Rösner (1974), S. 103[4]
  • Biographisches Handbuch der deutschsprachigen Emigration nach 1933 (= International biographical dictionary of Central European émigrés 1933–1945), Band 1, hrsg. vom Institut für Zeitgeschichte, München, und von der Research Foundation for Jewish Immigration, Inc., New York. Gesamtleitung: Werner Röder und Herbert A. Strauss, München, New York, London, Paris, 1983, S. 177[4]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b o. V.: Byrns, Harold in der Datenbank Niedersächsische Personen (Neueingabe erforderlich) der Gottfried Wilhelm Leibniz Bibliothek – Niedersächsische Landesbibliothek in der Version vom 13. April 2013, zuletzt abgerufen am 29. Dezember 2019
  2. Angaben im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
  3. a b c d e f g Peter Schulze: Spurensuche. Enteignete Bücher als historische Quellen, in Thomas Elsmann (Hrsg.): Auf den Spuren der Eigentümer. Erwerb und Rückgabe von Büchern jüdischer Eigentümer am Beispiel Bremen ( = Schriften der Staats- und Universitätsbibliothek Bremen, Band 5), Bremen: Staats- und Universitäts-Bibliothek, 2004, S. 69–95, v. a. S. 77–79 u.ö.; eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche
  4. a b c d e f g h i Peter Schulze: Byrns, Harold, in: Hannoversches Biographisches Lexikon, S. 82 sowie Byrns, Harold, in: Stadtlexikon Hannover, S. 103
  5. Carl Dahlhaus (Hrsg.): Byrns, Harold, in Riemann Musiklexikon, 12., völlig neubearbeitete Auflage in drei Bänden, Ergänzungband, Personenteil A–K, Mainz; London; New York; Paris: B. Schott’s Söhne et al., 1972, S. 177