Homosexualität in Indonesien
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In Indonesien ist Homosexualität bisher, anders als in vielen anderen muslimischen Ländern, nur in der Provinz Aceh strafbar. Sogar in den Medien treten einige homosexuelle oder transgeschlechtliche Prominente offen in Erscheinung.[1] Durch das Strafgesetzbuch (Indonesien), das am 2. Januar 2026[2] in Kraft tritt und das aus der Kolonialzeit stammende Strafgesetzbuch ablöst, werden homosexuelle Handlungen ebenso wie vorehelicher Geschlechtsverkehr unter Strafe gestellt.[3]
Legalität
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Homosexuelle Handlungen sind in Indonesien, außer in der Provinz Aceh legal. Das Schutzalter liegt bei 18 Jahren. Ab 2026 sind homosexuelle Handlungen strafbar (vgl. oben).
In der teilweise autonomen Provinz Aceh wurden 2003 Teile der Schari’a eingeführt und von der Zentralregierung genehmigt, um die Rebellen zu befrieden. Am 14. September 2009 beschloss das nur mehr zwei Wochen tagende Provinzparlament einstimmig ein Gesetz, welches für homosexuelle Handlungen 100 Stockhiebe sowie eine Geldstrafe im Wert von maximal 1.000 Gramm Feingold oder bis zu 100 Monate (8 Jahre 4 Monate) Gefängnis vorsah. Für „Pädophile“ betrug die Strafe bis zu 200 Stockhiebe und 2.000 Gramm Gold oder bis zu 200 Monate Gefängnis (16 Jahre 8 Monate). Welche Altersgrenzen für „Pädophilie“ gelten, war den Medienberichten nicht zu entnehmen. Das Gesetz sollte unabhängig von der Zustimmung des Provinzgouverneurs nach 30 Tagen in Kraft treten. Das Gesetz bestrafte auch vorehelichen Geschlechtsverkehr mit Stockhieben und Ehebruch mit Steinigung, wodurch die Protestgemeinschaft breit gestreut war. Der Gouverneur der Provinz, Irwandi Yusuf wollte dieses Gesetz nicht umsetzen. Das schon gewählte neue und gemäßigte Parlament hob das Gesetz wieder auf.[4][5][6] Allerdings wurde 2015 ein ähnliches Gesetz eingeführt, im Mai 2017 wurden zwei homosexuelle Männer zu jeweils 85 Peitschenhieben verurteilt.[7]
Das im Dezember 2022 beschlossenen neue Strafgesetzbuch (Indonesien), das 2026 in Kraft tritt, enthält Bestimmungen, die Sex außerhalb der Ehe grundsätzlich unter Strafe stellen werden. Dies wird auch jegliche homosexuelle Handlungen einschließen, da gleichgeschlechtliche Ehen vom indonesischen Staat nicht anerkannt werden. So äußerte sich Kurniasih Mufidayati, die an den Beratungen über den Gesetzentwurf beteiligt ist, gegenüber BenarNews: „Ja, es stimmt [es gibt Klauseln im Gesetzentwurf, nach denen außerehelicher Sex] unter Strafe gestellt wird ... einschließlich LGBT“. Außerdem solle es Klauseln geben, die „abweichendes sexuelles Verhalten“ unter Strafe stellen würden, denn „Promiskuität zu erlauben ist gegen die Verfassung“. Das neue Gesetz folgt der wachsenden Anti-LGBTIQ*-Stimmung im Land.[8]
Antidiskriminierungsgesetze
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Antidiskriminierungsgesetzen zum Schutz der sexuellen Orientierung bestehen nicht.
Anerkennung gleichgeschlechtlicher Paare
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Staatlicherseits werden gleichgeschlechtliche Paare nicht anerkannt.
Gesellschaftliche Situation
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]In den 1980er und 1990er Jahren wurden die ersten LGBT-Organisationen wie Lambda Indonesia gegründet.[9] Zu den gegenwärtig größten LGBT-Organisationen gehören Gaya Nusantara und Arus Pelangi, die homosexuelle Veranstaltungen und Informations- und Aufklärungskampagnen unterstützen. Eine homosexuelle Community gibt es vorrangig in der Hauptstadt Jakarta. Es ist bekannt geworden, dass es zu Übergriffen gegen schwule Männer durch Gruppen fanatischer Muslime gekommen ist, beispielsweise bei einer Anti-AIDS-Veranstaltung in Solo, deren Teilnehmer von einer Gruppe mehrerer hundert maskierter Leute angegriffen wurden.
Politische Parteien, die Homosexualität öffentlich unterstützen, gibt es bislang nicht. Nachdem die gleichgeschlechtliche Ehe 2015 in den USA legalisiert wurde, verschärfte sich in Indonesien die Debatte rund um LGBT-Rechte. Somit positionierte sich die Regierung dezidiert homosexuellenfeindlich und im September 2017 wurde das Zeigen von Homosexualität in den Medien durch einen Beschluss des indonesischen Repräsentantenhauses verboten.[10][11]
Als Zäsur für die indonesische LGBT-Community können vor dem Hintergrund der verschärften Debatte insbesondere Razzien in queeren Clubs angesehen werden, die 2017 auf Grundlage von Anti-Pornografie-Gesetzgebung insbesondere in Jakarta erfolgten. Insgesamt wurden in diesem Jahr mindestens 300 Personen aufgrund ihrer angenommenen sexuellen oder geschlechtlichen Identität verhaftet. Die indonesische Polizei führte laut Human Rights Watch „Razzien in Saunas, Clubs, Hotelzimmern, Friseursalons und Privatwohnungen durch, wenn der Verdacht bestand, in ihnen hielten sich LGBT auf.“[12] Nachdem im Mai 2017 acht Männer in Surabaya festgenommen worden waren, da sie an einer homosexuellen Party teilgenommen haben sollen, erfolgte eine massive Polizeirazzia in einem Schwulen-Club der indonesischen Hauptstadt. Es wurden hierbei 141 Männer festgenommen, wobei die meisten wieder rasch auf freien Fuß gesetzt wurden. Ein von Journalisten befragter Polizist gab kund, die Razzia sei nach verdeckten Ermittlungen erfolgt. Eine Stripshow sowie eine „Sex-Party“ seien ausschlaggebend für die Aktion gewesen. Bürgerrechtsgruppen kritisierten die Festnahmen und die Behandlung der Männer, da diese sich bei der Verhaftung und beim Verhör nicht ankleiden durften und angeblich sogar Nacktbilder der Betroffenen vonseiten der Polizei verbreitet worden seien. Im Oktober 2017 drangen Polizeikräfte aus Jakarta in die Homosexuellen-Sauna T1 ein und nahmen 58 Menschen fest. Ein Polizeisprecher begründete die Razzia „mit dem Verdacht auf Prostitution, ‚abnormale‘ sexuelle Praktiken sowie Pornografie.“ Human Rights Watch machte vor diesem Hintergrund darauf aufmerksam, dass sich in Indonesien infolge der staatlichen Repressionen gegen die LGBT-Minderheit die Gesundheitskrise insbesondere bezüglich HIV verschärfe.[13][14][15][16][17][18]
Die konzertieren Aktionen der Polizei gegen Homosexuellenclubs -lokale und -saunen hatte zur Folge, dass die meisten Etablissements in Jakarta schließen mussten. Die LGBT-Community wich dementsprechend auf alternative Treffpunkte aus. So existiert aktuell eine einschlägige Szene vor allem im Untergrund und ist somit insbesondere für Außenstehende schwer auszumachen. 2017 wurden zudem sämtliche Dating-Apps für Homosexuelle aus den indonesischen Online-Stores entfernt, zuvor war etwa die schwule Datingplattform Blued beliebt, um sich kennenzulernen. Insgesamt scheinen die Behörden seitdem systematisch darauf abzuzielen, Treffen von homosexuellen Menschen zu unterbinden. Ein Schutz vonseiten offizieller Stellen vor Diskriminierung und Hassverbrechen ist insofern mehr als unwahrscheinlich.[19]
2022 wurden auf Grundlage von indonesischer Militärgesetzgebung zwei männliche Mitglieder der indonesischen Streitkräfte für konsensualen Sex zu einer mehrmonatigen Gefängnisstrafe verurteilt.[20]
Siehe auch
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Tom Boellstorff: The gay Archipelago: Sexuality and Nation in Indonesia, Princeton University Press, Princeton 2005
- Patricia V. Symonds: Gender and the cycle of Life: Calling in the Soulinahmong village, University of Washington Press, Seattle 2004
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Arus Pelangi
- Sexuality and Nation in Indonesia
- Between Religion and Desire: Being A Gay Muslim in Indonesia (PDF-Datei; 104 kB)
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Spartacus International Gay Guide, Seite 484. Bruno Gmunder Verlag, 2007.
- ↑ Jokowi Teken UU KUHP, Berlaku Mulai Tahun 2026. Abgerufen am 8. Oktober 2023 (id-ID).
- ↑ Deutsche Welle (www.dw.com): Indonesien verbietet außerehelichen Sex und droht mit Haftstrafen | DW | 06.12.2022. Abgerufen am 11. Dezember 2022 (deutsch).
- ↑ AP: In Indonesien: Todesstrafe für Ehebruch, tz-online.de, 14. September 2009
- ↑ Aceh passes adultery stoning law, news.bbc.co.uk, 14. September 2009
- ↑ Indonesien – Steinigung für Ehebrecher ( vom 23. September 2009 im Internet Archive), Frankfurter Rundschau online, 15. September 2009
- ↑ Religionsgericht in Indonesien: Homosexuelles Paar wird ausgepeitscht, Faz.net, 17. Mai 2017
- ↑ Sabine Hannakampf: Indonesien: Bald noch härtere Strafen für ‚abweichendes sexuelles Verhalten‘? In: maenner.media, 28. Mai 2022, abgerufen am 3. Dezember 2022.
- ↑ Inside Indonesia: Gay identities
- ↑ The Gay Passport Gay Jakarta: Where's Hot in 2024? New gay bars, saunas, parties, hotels, map +
- ↑ Mannschaft Razzia in Gay Sauna: Indonesien geht weiter gegen Schwule vor
- ↑ Indonesien: Human Rights Watch Hartes Vorgehen gegen LGBT verschärft Gesundheitskrise
- ↑ maenner.media ZRazzia in Schwulensauna in Jakarta - männer*:
- ↑ Indonesien: Human Rights Watch Hartes Vorgehen gegen LGBT verschärft Gesundheitskrise
- ↑ Stuttgarter Zeitung Festnahmen bei Razzia in Schwulen-Sauna
- ↑ Mannschaft Razzia in Gay Sauna: Indonesien geht weiter gegen Schwule vor
- ↑ Tiroler Tageszeitung – Aktuelle Nachrichten auf tt.com 141 Festnahmen bei Razzia in Schwulen-Club in Indonesien
- ↑ Die Welt Justiz: 58 Festnahmen bei Razzia in Schwulen-Club in Indonesien
- ↑ The Gay Passport Gay Jakarta: Where's Hot in 2024? New gay bars, saunas, parties, hotels, map +
- ↑ metroweekly.com Indonesian Soldiers Jailed for Consensual Gay Sex