Referendum in Polen über den Beitritt zur Europäischen Union

Van Wikipedia, de gratis encyclopedie

Ergebnis des
Referendums
77,45 %
22,55 %
Ja Nein

Das Referendum in Polen über den Beitritt zur Europäischen Union wurde am 7. und 8. Juni 2003 in Polen abgehalten. Bei einer Wahlbeteiligung von 58,85 % stimmten 77,45 % der Abstimmenden für den Beitritt Polens zur Europäischen Gemeinschaft.

Hintergrund und Ergebnis[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Beim Treffen des Europäischen Rats in Luxemburg 1997 wurde die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit Polen und weiteren 9 ost- bzw. südeuropäischen Staaten zur EU-Osterweiterung beschlossen. Diese Beitrittsverhandlungen wurden am 12./13. Dezember 2002 abgeschlossen. Am 16. April 2003 wurde in Athen der Beitrittsvertrag, der am 1. Mai 2004 in Kraft trat, durch die EU und die 10 Beitrittskandidaten unterzeichnet.

Frage des Referendums[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die polnische Regierung unter Ministerpräsident Leszek Miller ließ ein Referendum über die Frage des Beitritts ansetzen. Die gestellte Frage lautete:

Czy wyraża Pan/Pani zgodę na przystąpienie Rzeczypospolitej Polskiej do Unii Europejskiej?

„Stimmen Sie dem Beitritt der Republik Polen zur Europäischen Union zu?“

Frage des Referendums vom 7./8. Juni 2003[1]

Abstimmungsempfehlungen der Parteien[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Haltung der im Sejm vertretenen Parteien
Stimm-
empfehlung
Politische Partei
Ja Bund der Demokratischen Linken (SLD)
Bürgerplattform (PO)
Recht und Gerechtigkeit (PiS)
Polnische Bauernpartei (PSL)
Arbeitsunion (UP)
Wahlkomitee Deutsche Minderheit (MN)
Nein Liga Polnischer Familien (LPR)
Neutral
(eher Nein)
Selbstverteidigung der Republik Polen (SRP)

Von den sieben nach der Parlamentswahl 2001 im Sejm vertretenen politischen Parteien sprachen sich fünf für ein „Ja“-Votum aus. Zusammen hatten diese fünf Parteien bei der Wahl 2001 80,2 % der Mandate im Sejm gewonnen. Ein „Nein“-Votum wurde von der Liga Polnischer Familien (8,3 % Mandatsanteil) empfohlen und die Selbstverteidigung der Republik Polen (11,5 %) gab keine Abstimmungsempfehlung heraus, mit allerdings deutlicher Tendenz zur Ablehnung. Die sozialdemokratische SLD war die proeuropäischste Partei und die einzige Partei, die offen einen europäischen Bundesstaat und die geplante europäische Verfassung befürwortete. Die 2001 gegründete Bürgerplattform vertrat vor dem Referendum ebenfalls einen ausgesprochen proeuropäischen Standpunkt. Nach dem Referendum wurde ihre Haltung jedoch deutlich zögerlicher und die Partei pochte auf die Erhaltung spezifisch polnischer Rechte in Europa. Die Polnische Bauerpartei nahm gegenüber der EU eine ambivalente Haltung ein. Sie befürwortete ein lockeres Integrationsmodell im Sinne eines „Europas der Nationen“ und forderte ausgedehnte Subventionen für polnische Bauern und ein 18-jähriges Verbot zum Landerwerb in Polen durch EU-Bürger. Ihre Empfehlung für das Ja-Votum gab die Partei erst ab, nachdem die SLD-geführte Regierung vielen ihrer Forderungen nachgekommen war. Die Haltung der rechtskonservativen PiS zu Europa war von Beginn an ambivalent. Im Parteiprogramm wurden zwar die historische Verankerung Polens in Europa, aber auch die Risiken einer Integration auf wirtschaftlichem und kulturellem (identitärem) Gebiet betont. Die Beitrittsbedingungen, die die Regierung ausgehandelt hatte, wurden scharf kritisiert. Der PiS-Parteikongress vom 18. Januar 2003 sprach sich aber trotz differierender Meinungen für ein „Ja“-Votum aus. Die agrarisch-populistische „Selbstverteidigung(Samoobrona) zeigte sich EU-kritisch und veröffentlichte im Mai 2003 ein Manifest „Die EU - ihr habt die Wahl!“ Formell gab sie keine Wahlempfehlung aus, jedoch war der Tenor eindeutig eher EU-kritisch. Für die nationalkonservativ-katholische Liga Polnischer Familien war die kritische Haltung zur EU ein Kernpunkt ihrer Programmatik. Sie sprach sich für die Ablehnung des EU-Beitritts aus. Dabei wurden ökonomische, politische und ideologische Argumente angeführt.[2]

Ergebnis[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ergebnisse des Referendums nach Woiwodschaften (% Ja-Stimmen). Obwohl in allen Woiwodschaften die Beitritts­befür­worter die Mehrheit hatten, zeigt sich doch (wie auch schon bei anderen Wahlen) eine Ost-West-Spaltung des Landes in einen pro-europäischen Westen und einen wesentlich europa­skeptischeren Osten.
Ergebnis nach einzelnen Powiats
Ergebnis nach Gemeinden
Prozent Ja-Stimmen der ebenfalls wahl­berechtigten Auslands­polen. Hier fällt vor allem die relativ EU-skeptische Haltung der Polen in den Vereinigten Staaten auf.

Gesamtergebnis[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bei einer Wahlbeteiligung von 58,85 % (17.586.215 Wähler) stimmten 77,45 % (13 514 872) mit "Ja" und 22,55 % (3 935 655) mit "Nein". Damit war das Referendum angenommen.

Gesamtergebnis[1]
Votum Stimmen
Zahl %
Ja 13 514 872 77,45
Nein 3 935 655 22,55
Gültige 17 450 527 99,28
Ungültige 126 187 0,72
Summe 17 576 714 100,00
Beteiligung 58,85
Erforderliches Quorum 50,00

Woiwodschaften[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In allen Woiwodschaften ergab sich eine deutliche Mehrheit für den EU-Beitritt.

Ergebnisse nach Woiwodschaften[1]
Woiwodschaft Ja Nein Beteiligung
Zahl % Zahl % Zahl %
Niederschlesien 1 155 092 83,66 % 225 555 16,34 % 1 388 686 60,18 %
Kujawien-Pommern 711 520 77,11 % 211 268 22,89 % 929 397 57,90 %
Lublin 596 715 63,25 % 346 661 36,75 % 951 838 55,45 %
Lebus 380 909 84,02 % 72 453 15,98 % 456 354 58,21 %
Łódź 844 870 71,34 % 339 488 28,66 % 1 194 200 57,70 %
Kleinpolen 1 121 202 76,15 % 351 087 23,85 % 1 472 289 59,91 %
Masowien 1 834 764 74,70 % 621 541 25,30 % 2 474 290 60,48 %
Oppeln 378 649 84,88 % 67 453 15,12 % 449 437 54,56 %
Karpatenvorland 634 715 70,08 % 270 956 29,92 % 913 045 57,32 %
Podlachien 333 656 68,63 % 152 503 31,37 % 490 008 52,71 %
Pommern 842 147 80,25 % 207 322 19,75 % 1 055 602 62,79 %
Schlesien 1 927 221 84,51 % 353 184 15,49 % 2 294 120 61,40 %
Heiligkreuz 403 198 75,76 % 129 035 24,24 % 536 941 52,14 %
Ermland-Masuren 490 099 81,72 % 109 610 18,28 % 605 366 54,73 %
Großpolen 1 201 760 77,13 % 356 386 22,87 % 1 570 042 60,99 %
Westpommern 658 355 84,46 % 121 153 15,54 % 784 287 58,48 %
Polen gesamt 13 514 872 77,45 % 3 935 655 22,55 % 17 576 714 58,85 %

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b c PRZEGLĄD WYBORCZY – Biuletyn informacyjny 5-6/2003 (Wahlüberblick – Informationsbulletin 5-6/2003). (pdf) In: Wydawnictwo Krajowego Biura Wyborczego (Verlag der staatlichen Wahlbehörde). 2003, abgerufen am 9. Oktober 2021 (polnisch).
  2. Krzysztof Zuba: Through the Looking Glass: The Attitudes of Polish Political Parties towards the EU before and after Accession. In: Perspectives on European Politics and Society. Band 10, Nr. 3, 2009, S. 326–349, doi:10.1080/15705850903105744.