Reinhard Kamitz

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Das Grab von Reinhard Kamitz und seiner Ehefrau Margarete geborene Schaudy auf dem Döblinger Friedhof in Wien

Reinhard Kamitz (* 18. Juni 1907 in Halbstadt, Bezirk Braunau, Österreich-Ungarn; † 9. August 1993 in Wien) war ein österreichischer Politiker. Von 1952 bis 1960 amtierte er als parteiloser Finanzminister.

Kamitz' Familie übersiedelte 1910 nach Wien, wo sein Vater Wenzel Kamitz am 28. Oktober 1931 Präsident des Verwaltungsgerichtshofes wurde. Aus diesem höchsten Richteramtes wurde er jedoch wegen seiner deutschnationalen Einstellung durch die Regierung Engelbert Dollfuß entlassen.[1] Reinhard Kamitz besuchte das Realgymnasium und das Technologische Gewerbemuseum in Wien, wo er 1925 maturierte. Anschließend studierte er an der Hochschule für Welthandel und promovierte 1933 mit der Dissertation "Rationalisierung unter Lohndruck." In dieser Zeit war er Mitglied des Vereins deutscher Studenten aus Böhmen VDSt Asciburgia zu Wien-Prag, auf deren ruf als nationalsozialistische Kaderschmiede Kamitz sich später berief, um zur Promotion zugelassen zu werden.[1] Von 1934 bis 1938 stand er im Dienst des 1926 von Ludwig Mises gegründeten und 1931 von Friedrich August von Hayek fortgeführten Österreichischen Instituts für Konjunkturforschung, dessen Leitung er 1936 von Oskar Morgenstern übernahm. 1938 wurde dieses an das Berliner Institut für Konjunkturforschung angeschlossen. In diesem Jahr erwarb er die Venia legendi an der Hochschule für Welthandel. Im Februar 1939 wechselte er in die Wiener Handelskammer. 1940 avancierte er zum Leiter der volkswirtschaftlichen Abteilung, 1944 übernahm er die Leitung dieser zur Gauwirtschaftskammer herabgestuften Organisation. Er trat 1933 der illegalen NSDAP bei und bewarb sich auch um Aufnahme bei der SS. In der Verbotszeit vor 1938 war er Mitarbeiter des Nachrichtendienstes der NSDAP Wien.[2][1] Aus unklaren Gründen beantragte er am 12. Februar 1939 erneut die Aufnahme in die NSDAP und wurde zum 1. Juni 1940 aufgenommen (Mitgliedsnummer 7.677.009).[3][1]

Als politische Belasteter wurde er 1945 auf den Rang eines einfachen Konzeptsbeamten zurückgestuft, er verlor auch seine Dozentur. Mit 1. Jänner 1947 kam er in der eben errichteten Wirtschaftskammer unter die Fittiche des Präsidenten Julius Raab. Im Juni 1948 wurde er Leiter der wirtschaftspolitischen Abteilung, im April 1950 stellvertretender Generalsekretär. 1954 gründete er den Wiener Akademikerbund.[4] Von 1960 bis 1968 war er Präsident der Oesterreichischen Nationalbank. Im Herbst 1966 erlitt Kamitz einen Schlaganfall, von dessen Folgen er sich nicht mehr erholte.

Kamitz wurde am Döblinger Friedhof in Wien bestattet.

Raab-Kamitz-Kurs

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Als parteiloser Finanzminister gehörte er der Regierung Julius Raab in der Zeit von 1952 bis 1960 an. Die beiden Politiker propagierten eine ordoliberale Politik, die als Raab-Kamitz-Kurs bekannt wurde.

Erstes Ziel war die Bekämpfung der Inflation, die 1951 in Österreich fast 28 Prozent betragen hatte (1952 dann 17 Prozent). Durch eine Politik des „knappen Geldes“ (Einführung von Kreditbeschränkungen, höhere Liquiditätsvorschriften für Banken, Erhöhung des Diskontsatzes) konnte die Inflation bereits 1953 auf 5 Prozent reduziert werden. Durch eine restriktive Budgetpolitik und die Erhöhung einiger Verbrauchssteuern sank die Staatsverschuldung, von fast 60 % des BIP, auf acht (!) Prozent (im Jahr 1957) und blieb bis zur Ära Kreisky auf diesem niedrigen Niveau.

In der Außenwirtschaft setzte Kamitz auf eine weitgehende Liberalisierung: So wurde etwa die Devisenbewirtschaftung aufgehoben und es wurden Haftungen des Bundes für Exportgeschäfte angeboten, was den Anteil Österreichs am Welthandel deutlich erhöhte. In der Binnenwirtschaft wurden Preiskontrollen und staatliche Bewirtschaftungsmaßnahmen abgebaut (z. B. Abschaffung von Lebensmittelkarten für Fleisch und Fett per 1. Juli 1953). Das Wirtschaftswachstum wurde durch verschiedene investitionsfördernde Maßnahmen und – dazu gehörig – die Förderung des privaten Sparens stimuliert. Mit steuerbegünstigten öffentlichen Anleihen wurden Infrastrukturprojekte wie Autobahnbau, Elektrifizierung der Eisenbahnen und Ausbau des Telefonnetzes finanziert.

Die drei Steuerreformen von 1953 bis 1958 führten bei starker Senkung der Steuersätze trotzdem zu einem höheren Steueraufkommen (später theoretisch ausgeführt in der Laffer-Kurve). Die Staatseinnahmen aus Steuern verdoppelten sich zwischen 1953 und 1960, wobei auch die günstige Konjunktur eine Rolle spielte.

Obgleich Kamitz in der breiten Öffentlichkeit heute fast vergessen ist, gilt er in der historischen Betrachtung laut Roman Sandgruber als „der herausragende Finanzminister der Zweiten Republik“, auf den die Grundelemente des österreichischen Wirtschaftswunders zurückgehen.[5]

Ehrungen und Würdigungen

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  • In Großebersdorf trägt eine Straße den Namen Dr. Reinhard Kamitz-Straße.
  • Fritz Diwok, Hildegard Koller: Reinhard Kamitz. Wegbereiter des Wohlstands. Mit Geleitworten von Heinrich Treichl und Alois Brusatti. Molden, Wien u. a. 1977, ISBN 3-217-00840-5.
  • Ernest F. Enzelsberger: Reinhard Kamitz, der „echte“ und der sogenannte „Austrokeynesianismus. In: Österreichisches Jahrbuch für Politik 17, 1993, ISSN 0170-0847, S. 599–616.
  • Festschrift des Österreichischen Wirtschaftsbundes zum 80. Geburtstag von R. Kamitz. Österreichischer Wirtschaftsbund, Wien 1987.
  • Christian Terink: Die österreichische Währungspolitik in der Ära Julius Raab und Reinhard Kamitz vor dem Hintergrund wesentlicher politischer und wirtschaftspolitischer Aspekte. Linz 1996, (Linz, Universität, Diplomarbeit, 1996).
  • Wolfgang Fritz: Für Kaiser und Republik. Österreichs Finanzminister seit 1848. Wien 2003.
  1. a b c d Michael Wladika, Doris Sottopietra, Helmut Wohnout: Zur Repräsentanz von Politikern und Mandaten mit NS-Vergangenheit in der Österreichischen Volkspartei 1945-1980: Eine gruppenbiographische Untersuchung. Forschungsprojekt im Auftrag des Karl von Vogelsang-Instituts. Wien April 2018, S. 82–91 (vogelsanginstitut.at [PDF]).
  2. Der Standard, vom 24. Januar 2005; Falter 27/2005 vom 6. Juli 2005.
  3. Bundesarchiv R 9361-IX KARTEI/19140479
  4. https://www.wienerakademikerbund.org/mitglieder/
  5. Roman Sandgruber: Der Hund und die Wurst. 50 Jahre Raab-Kamitz-Kurs. In: Die Presse, 31. Oktober 2003