Schweizer Parlamentswahlen 1887

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1884Gesamterneuerungswahlen
des Nationalrats 1887
1890
Wahlbeteiligung: 55,3 %
 %
50
40
30
20
10
0
40,2
28,3
15,9
9,4
3,4
1,3
1,5
Gewinne und Verluste
im Vergleich zu
 %p
   4
   2
   0
  -2
  -4
−1,8
+2,6
−0,9
+1,2
−2,8
+1,1
+0,6

Die Schweizer Parlamentswahlen 1887 fanden am 30. Oktober 1887 statt. Zur Wahl standen 145 Sitze des Nationalrates. Die Wahlen wurden nach dem Majorzwahlrecht vorgenommen, wobei das Land in 49 unterschiedlich grosse Nationalratswahlkreise unterteilt war. Wiederum gelang es den Freisinnigen (bzw. Radikal-Liberalen), ihre Position als klar stärkste Kraft zu behaupten. Insgesamt war der Wahlkampf recht flau und es kam nur zu unwesentlichen Verschiebungen. Das neu gewählte Parlament trat in der 14. Legislaturperiode erstmals am 5. Dezember 1887 zusammen.

Wahlkampf[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Wahlen von 1887 waren von einer allgemeinen Entspannung geprägt, zum ersten Mal seit 1878 gab es kein dominierendes Wahlkampfthema. Mit dem Abflauen des Kulturkampfes und des Gegensatzes zwischen Zentralisten und Föderalisten wandten sich die politischen Gruppierungen von ideologischen Kämpfen ab und widmeten sich vermehrt materiellen Problemen. Bei Projekten wie der Eisenbahnverstaatlichung, der Gründung einer Nationalbank und der Schaffung einer Kranken- und Unfallversicherung bestand von den Linken bis zu den gemässigten Rechten ein breiter Konsens; Konflikte um die konkrete Umsetzung standen erst bevor. Die Debatte um die Einführung von Schutzzöllen war noch wenig akzentuiert, führte aber immerhin dazu, dass sich der Grütliverein allmählich von den Freisinnigen und der Demokraten abwandte und sich der wachsenden Arbeiterbewegung annäherte.[1]

Während der 13. Legislaturperiode hatte es aufgrund von Vakanzen zehn Ersatzwahlen in acht Wahlkreisen gegeben, dabei kam es nur zu marginalen Sitzverschiebungen. 1887 gab es insgesamt 59 Wahlgänge (einen weniger als drei Jahre zuvor). In 41 von 49 Wahlkreisen waren die Wahlen bereits nach dem ersten Wahlgang entschieden. Sechs von sieben amtierenden Bundesräte traten zu einer in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts üblichen Komplimentswahl an; d. h., sie stellten sich als Nationalräte zur Wahl, um sich von den Wählern ihre Legitimation als Mitglieder der Landesregierung bestätigen zu lassen. Dieser Brauch war jedoch in den letzten Jahren zunehmend auf Kritik gestossen. Bundesrat Adolf Deucher verzichtete bewusst auf eine Komplimentswahl, gleichwohl bestätigte ihn die Bundesversammlung problemlos.[2] Die darauf notwendig gewordenen Ergänzungswahlen waren am 26. Februar 1888 abgeschlossen, womit der Nationalrat komplett war.

Als Folge des flauen Wahlkampfs und der in vielen Wahlkreisen schwach ausgeprägten Konkurrenzsituation sank die Wahlbeteiligung im Vergleich zu 1884 um acht Prozentpunkte. Infolge der dort geltenden Wahlpflicht wies der Kanton Schaffhausen mit 95,5 % wie üblich den höchsten Wert auf. Nur die Kantone Aargau und Solothurn verzeichneten ebenfalls Werte von über 80 %. Auf das geringste Interesse stiessen die Wahlen im Kanton Zug, wo nur gerade 18,5 % der Wähler an die Urne gingen. Die Freisinnigen behaupteten sich erneut als klar stärkste Kraft. Am meisten konnten die reformierten Konservativen zulegen, wenn auch nur um drei Sitze.

Ergebnis der Nationalratswahlen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Gesamtergebnis[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Von 649'229 volljährigen männlichen Wahlberechtigten nahmen 359'317 an den Wahlen teil, was einer Wahlbeteiligung von 55,3 % entspricht.[3]

Die 145 Sitze im Nationalrat verteilten sich wie folgt:[4][5]

14
73
19
4
35
14 73 19 35 
Insgesamt 145 Sitze
  • DL: 14
  • FL: 73
  • LM: 19
  • ER: 4
  • KK: 35
Partei Sitze
1884
vor Auf-
lösung
Sitze
1887
+/− Wähler-
anteil
+/−
FL 74 74 73 −1 40,2 % −1,8 %
KK 37 36 35 −2 28,3 % +2,6 %
LM 18 19 19 +1 15,9 % −0,9 %
DL 15 14 14 −1 09,4 % +1,2 %
ER 1 2 4 +3 03,4 % −2,8 %
Soz 01,3 % +1,1 %
Diverse 01,5 % +0,6 %

Hinweis: Eine Zuordnung von Kandidaten zu Parteien und politischen Gruppierungen ist nur bedingt möglich. Der politischen Wirklichkeit des 19. Jahrhunderts entsprechend kann man eher von Parteiströmungen oder -richtungen sprechen, deren Grenzen teilweise fliessend sind. Die verwendeten Parteibezeichnungen sind daher eine ideologische Einschätzung.

Ergebnisse in den Kantonen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die nachfolgende Tabelle zeigt die Verteilung der errungenen Sitze auf die Kantone.[6][7]

Kanton Sitze
total
Wahl-
kreise
Betei-
ligung
FL KK LM DL ER
Kanton Aargau Aargau 10 3 83,9 % 5 2 3
Kanton Appenzell Ausserrhoden Appenzell Ausserrhoden 3 1 70,9 % 1 2
Kanton Appenzell Innerrhoden Appenzell Innerrhoden 1 1 62,3 % 1
Kanton Basel-Landschaft Basel-Landschaft 3 1 45,1 % 3
Kanton Basel-Stadt Basel-Stadt 3 1 53,6 % 3 +1 −1
Kanton Bern Bern 27 6 42,1 % 24 −3 3 +3
Kanton Freiburg Freiburg 6 3 61,9 % 5 −1 1 +1
Kanton Genf Genf 5 1 60,8 % 3 2
Kanton Glarus Glarus 2 1 53,5 % 1 1
Kanton Graubünden Graubünden 5 3 58,8 % 2 2 1
Kanton Luzern Luzern 7 4 45,7 % 2 5
Kanton Neuenburg Neuenburg 5 1 25,7 % 5
Kanton Nidwalden Nidwalden 1 1 28,8 % 1
Kanton Obwalden Obwalden 1 1 24,3 % 1
Kanton Schaffhausen Schaffhausen 2 1 95,5 % 1 1
Kanton Schwyz Schwyz 3 1 28,1 % 3
Kanton Solothurn Solothurn 4 1 85,9 % 3 −1 1 +1
Kanton St. Gallen St. Gallen 10 3 77,0 % 2 +1 5 2 −1 1
Kanton Tessin Tessin 7 2 51,4 % 2 5
Kanton Thurgau Thurgau 5 1 66,2 % 4 1
Kanton Uri Uri 1 1 49,1 % 1
Kanton Waadt Waadt 12 3 33,0 % 12
Kanton Wallis Wallis 5 3 63,8 % 1 +1 3 −2 1 +1
Kanton Zug Zug 1 1 18,5 % 1
Kanton Zürich Zürich 16 4 64,2 % 6 10
Schweiz 145 49 55,3 % 73 −1 35 −2 19 +1 14 −1 4 +3

Ständerat[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Wahlberechtigten konnten die Mitglieder des Ständerates nur in zehn Kantonen selbst bestimmen: In den Kantonen Graubünden, Solothurn, Thurgau, Zug und Zürich an der Wahlurne, in den Kantonen Appenzell Ausserrhoden, Glarus, Nidwalden, Obwalden und Uri an der Landsgemeinde. In allen anderen Kantonen erfolgte die Wahl indirekt durch die jeweiligen Kantonsparlamente.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Erich Gruner: Die Wahlen in den Schweizerischen Nationalrat 1848–1919. Band 1, erster Teil. Francke Verlag, Bern 1978, ISBN 3-7720-1442-9.
  • Erich Gruner: Die Wahlen in den Schweizerischen Nationalrat 1848–1919. Band 1, zweiter Teil. Francke Verlag, Bern 1978, ISBN 3-7720-1443-7.
  • Erich Gruner: Die Wahlen in den Schweizerischen Nationalrat 1848–1919. Band 2. Francke Verlag, Bern 1978, ISBN 3-7720-1444-5 (Anmerkungen).
  • Erich Gruner: Die Wahlen in den Schweizerischen Nationalrat 1848–1919. Band 3. Francke Verlag, Bern 1978, ISBN 3-7720-1445-3 (Tabellen, Grafiken, Karten).

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Gruner: Die Wahlen in den Schweizerischen Nationalrat 1848–1919, Band 1, zweiter Teil, S. 713–715.
  2. Paul Fink: Die «Komplimentswahl» von amtierenden Bundesräten in den Nationalrat 1851–1896. In: Allgemeine Geschichtsforschende Gesellschaft der Schweiz (Hrsg.): Schweizerische Zeitschrift für Geschichte. Band 45, Heft 2. Schwabe Verlag, 1995, ISSN 0036-7834, S. 226–227, doi:10.5169/seals-81131.
  3. Gruner: Die Wahlen in den Schweizerischen Nationalrat 1848–1919. Band 3, S. 369.
  4. Gruner: Die Wahlen in den Schweizerischen Nationalrat 1848–1919. Band 1, zweiter Teil, S. 720.
  5. Gruner: Die Wahlen in den Schweizerischen Nationalrat 1848–1919. Band 3, S. 485.
  6. Gruner: Die Wahlen in den Schweizerischen Nationalrat 1848–1919. Band 3, S. 201–212.
  7. Gruner: Die Wahlen in den Schweizerischen Nationalrat 1848–1919. Band 3, S. 358.