Großer Preis von Frankreich 1913

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Rennsieger Georges Boillot
Der zweitplatzierte Jules Goux
Der drittplatzierte Jean Chassagne
René Thomas während des Rennens

Der fünfte – nach heutiger Zählweise XIII.[1] Große Preis von Frankreich (XIII Grand Prix de l’Automobile Club de France) fand am 12. Juli 1913 auf dem Circuit de Picardie bei Amiens statt. Das Rennen wurde gemäß der geltenden Grand-Prix-Formel (Treibstoffverbrauch maximal 20 Liter pro 100 km, Mindestgewicht 800 kg, Maximalgewicht 1100 kg) über 29 Runden à 31,62 km ausgetragen, was einer Gesamtdistanz von 916,98 km entsprach.

Sieger wurde wie im Vorjahr Georges Boillot auf einem Peugeot L-56.

Rennen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nach dem durchaus positiven Neubeginn von 1912 – obendrein mit einem französischen Sieg – schrieb der ACF den Grand Prix von 1913 wieder als eigenständiges Rennen aus. Zum ersten Mal seit 1907 wurde dafür der Austragungsort gewechselt. Statt Dieppe wurde nun auf dem mit einer Rundenlänge von 31,63 km weniger als halb so langen Circuit de Picardie vor den Toren von Amiens gefahren, der als besonderes Charakteristikum eine etwa 13 km lange Gerade aufwies. Unter Rückkehr zum Ein-Tages-Rennen war dieser Kurs insgesamt 29 Mal zum umrunden für eine Gesamtdistanz von 916 km. Zum Start zugelassen waren genau 20 Teilnehmer, danach wurde die Meldeliste geschlossen.

Bezüglich der Rennformel entschied sich die vom ACF hierfür eingesetzte Commission Sportive dieses Mal für eine Kombination aus Verbrauchsformel mit Gewichtsober- und -untergrenze. Pro 100 km Renndistanz durften 20 Liter Treibstoff verbraucht werden – mithin eine Reduzierung der unter der ersten Verbrauchsformel von 1907 erlaubten Benzinmenge um ein Drittel – insgesamt also 183,3 Liter Benzin pro Wagen, die von verschiedenen, vom Veranstalter vor-ausgewählten Lieferanten gestellt wurden und in einem verplombten tonnenförmigen Einheits-Benzintank hinter dem Fahrersitz untergebracht werden mussten. Stromlinienförmige Heckverkleidungen, wie man sie im Vorjahr erstmals gesehen hatte, waren damit implizit ausgeschlossen. Das Wagengewicht musste ohne Brennstoff, Öl und Ersatzteile zwischen 800 und 1100 kg liegen. Dahinter stand vor allem die Absicht, extreme Motorenüberzüchtungen auf Kosten von zu leichten und fragilen Konstruktionen zu verhindern.

Peugeot trat als Titelverteidiger mit einer überarbeiteten Version des Vorjahresmodells an, bei der die Motorabmessungen sogar noch einmal leicht auf 5,6 l Hubraum reduziert wurden. Hauptaugenmerk war dabei auf die Beseitigung der Schwachstellen – die Schwingungsneigung bei hohen Drehzahlen sowie Schmierungsprobleme – gerichtet, daneben wurde aber unter Verwendung des Windkanals von Gustave Eiffel auch eine strömungstechnisch günstige Wagenform mit abgerundetem Kühler, Unterbodenverkleidung sowie auch um die Fahrersitze herumgezogene Karosserieflanken vorgenommen. Nachdem das Team im Vorjahr Reifen von Continental verwendet hatte, bot 1913 nun Pirelli den besten Vertrag.

Unter dem neuen Reglement bestand für die traditionellen „Hubraummonster“ a la Fiat oder Lorraine-Dietrich nun keinerlei Aussicht auf Erfolg mehr, so dass sich nun auch diese letzten beiden langjährigen Grand-Prix-Hersteller zurückzogen. Stattdessen betrat nun mit Delage Peugeots Erzrivale aus den „Kleinwagenrennen“ um den Coupe de l’Auto die Grand-Prix-Bühne. Bei dem Model Y handelte es sich dementsprechend um eine auf 6,2 Liter Hubraum vergrößerte Ausgabe des vorjährigen Voiturette-Rennwagens. Weitere „Aufsteiger“ aus der Voiturette-Klasse waren außerdem Th. Schneider sowie Sunbeam aus Großbritannien, und aus Italien kehrte Itala mit einem Drei-Wagen-Team rund um den Starfahrer Felice Nazzaro und neuartigen Drehschiebermotoren in den Grand-Prix-Sport zurück. Komplettiert wurde das Feld wieder von zwei von Tourenwagenmodellen abgeleiteten Excelsior aus Belgien, einem Mathis Baby und erstmals wieder einem deutschen Vertreter, Carl Jörns auf Opel, immerhin mit einem OHC-Motor. Zum ersten Mal bei einem Grand Prix war kein Wagen mit Kettenantrieb mehr am Start und auch Holzspeichenräder gehörten nun der Vergangenheit an.

Der Grand Prix von 1913 begann unter tragischen Umständen. Bei Testfahrten im Vorfeld waren zunächst der technische Direktor von Itala, Guido Bigio, und kurz darauf auch noch Paolo Zuccarelli – der als Rennfahrer und Ingenieur als Seele des Grand-Prix-Teams von Peugeot, der vier „Charlatans“, galt und auch maßgeblich an der Konstruktion der Wagen beteiligt gewesen war – durch Unfälle ums Leben gekommen. Trotz der Erschütterung im Team waren es die beiden Peugeot-Fahrer Boillot und Goux, die als Führende aus der ersten Runde kamen. Dabei hatten sie wie beinahe alle Teilnehmer in der Anfangszeit des Rennens noch sehr den Benzinverbrauch im Auge und noch gar nicht das Letzte aus ihren Wagen herausgeholt. Ihre Verfolgergruppe bestand aus dem Delage-Fahrer Albert Guyot sowie den drei Sunbeams mit dem Franzosen Jean Chassagne und den beiden Briten Dario Resta und Kenelm Lee Guinness am Steuer. Delages zweiter Fahrer, Paul Bablot hatte am Start zu sehr auf den Verbrauch Rücksicht genommen und mehrfach den Motor abgewürgt, holte nun aber beständig auf die Spitzengruppe auf. Der Rest des Feldes war bald entweder schon weit abgeschlagen oder bereits ganz ausgefallen.

An der Spitze kam es in der dritten Runde zu einem Führungswechsel, weil Boillot kurz anhalten musste, um ein defektes Zündkabel auszuwechseln. Dadurch kam Goux in Front, wurde aber in der neunten Runde von Guyot überholt, der in der Folge seine Führung bis zur Halbzeit des Rennens kontinuierlich ausbaute. Wenig später ging auch Boillot wieder an seinem Stallgefährten vorbei. Dahinter kam es zu einem weiteren tragischen Zwischenfall, als der Sunbeam von Guinness mit einem geplatzten Reifen von der Strecke abkam und dabei einen Zuschauer erfasste, der später seinen Verletzungen erlag. In Runde 17 fiel schließlich die Entscheidung, als an Guyots Delage ein Reifendefekt auftrat. Um nicht zu viel Zeit zu verlieren, sprang sein Mechaniker bereits aus dem Wagen, noch bevor dieser zum Halten kam, und wurde dabei überrollt. Guyot hievte den verletzten Beifahrer wieder zurück auf den Sitz und fuhr langsam zurück an die Boxen, wo er dann mit einem Ersatzmann an Bord das Rennen wieder aufnahm. Allerdings hatte er dabei so viel Zeit verloren, dass er jetzt mit dem Ausgang des Rennens nichts mehr zu tun hatte. Den Sieg machten die beiden Peugeot-Fahrer unter sich aus, wobei Boillot kurz vor Schluss noch einmal wegen eines geplatzten Kühlwasserschlauchs stoppen musste. Am Ende konnte er dennoch nach 7:53:57 Stunden Fahrzeit und mit einem Schnitt von 116,19 km/h einen Vorsprung von 2:15 Minuten gegenüber Goux retten und als erster Fahrer überhaupt den Grand Prix nach 1912 zum zweiten Mal gewinnen. In seinem Tank befanden sich dabei sogar noch 20 l Treibstoff. Dritter wurde Chassagne auf Sunbeam vor den beiden Delage-Fahrern.

Ergebnisse[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Meldeliste[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Team Nr. Fahrer Info Chassis Motor Reifen
Vereinigtes Konigreich Sunbeam Motor Co 01 Dritte Französische Republik Gustave Caillois Sunbeam Sunbeam 4.5L I6
09 Vereinigtes Konigreich Dario Resta
15 Dritte Französische Republik Jean Chassagnea
19 Vereinigtes Konigreich Kenelm Lee Guinness
Dritte Französische Republik Automobiles Delage 02 Dritte Französische Republik Paul Bablot Delage Y Delage 6.2L I4 M
10 Dritte Französische Republik Albert Guyot
Deutsches Reich Fritz von Opel 03 Deutsches Reich Carl Jörns Opel Grand Prix Rennwagen Opel 4.0L I4
Dritte Französische Republik Émile Mathis 04 Dritte Französische Republik Dragutin Esser Mathis Mathis 2.2L I4 M
Belgien Automobiles Excelsior 05 Belgien Josef Christiaens Exelsior Excelsior 6.1L I6
11 Vereinigtes Konigreich Lydston Hornsted
Dritte Französische Republik Automobiles Theo Schneider 06 Dritte Französische Republik René Croquet Theo Schneider Th. Schneider 5.5L I4 M
12 Dritte Französische Republik Fernand Gabriel
16 Dritte Französische Republik René Champoiseau
20 Dritte Französische Republik René Thomas
Italien 1861 Itala 07 Italien 1861 Felice Nazzaro Itala Itala 8.4L I4
13 Vereinigtes Konigreich Herbert Pope
17 Italien 1861 Antonio Moriondo
Dritte Französische Republik Automobiles et Cycles Peugeot 08 Dritte Französische Republik Georges Boillot Peugeot EX3/L-56 Peugeot 5.7L I4 P
14 Dritte Französische Republik Jules Goux
17 Dritte Französische Republik Jean Delpierreb
a 
Nach [2] S. 277 ging Chassagne als Ersatz für den verletzten Victor Rigal ins Rennen.
b 
Wurde als Ersatz für den bei Testfahrten tödlich verunglückten Paolo Zuccarelli ins Team genommen.

Startreihenfolge[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Teilnehmer wurden in der Reihenfolge der teamweise zugeordneten Startnummern einzeln in Abständen von einer Minute ins Rennen geschickt.

Rennergebnis[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Pos. Fahrer Konstrukteur Runden Stopps Zeit Start Schnellste Runde Ausfallgrund
01 Dritte Französische Republik Georges Boillot Dritte Französische Republik Peugeot 29 7:53:56,8 h
02 Dritte Französische Republik Jules Goux Dritte Französische Republik Peugeot 29 + 2:25,6 min
03 Dritte Französische Republik Jean Chassagne Vereinigtes Konigreich Sunbeam 29 + 12:23,4 min
04 Dritte Französische Republik Paul Bablot Vereinigtes Konigreich Delage 29 + 22:16,8 min 15:22,0 min
05 Dritte Französische Republik Albert Guyot Vereinigtes Konigreich Delage 29 + 24:02,0 min
06 Vereinigtes Konigreich Dario Resta Vereinigtes Konigreich Sunbeam 29 + 27:41,6 min
07 Dritte Französische Republik René Champoiseau Dritte Französische Republik Theo Schneider 29 + 50:40,4 min
08 Belgien Josef Christiaens Belgien Excelsior 29 + 1:03:26,8 h
09 Dritte Französische Republik René Thomas Dritte Französische Republik Theo Schneider 29 + 1:10:15,4 h
10 Dritte Französische Republik René Croquet Dritte Französische Republik Theo Schneider 29 + 1:18:55,8 h
11 Vereinigtes Konigreich Lydston Hornsted Belgien Excelsior 29 + 1:43:43,8 h
Vereinigtes Konigreich Kenelm Lee Guinness Vereinigtes Konigreich Sunbeam 15 DNF Unfall
Italien 1861 Antonio Moriondo Italien 1861 Itala 13 DNF Federbruch
Italien 1861 Felice Nazzaro Italien 1861 Itala 12 DNF Federbruch
Dritte Französische Republik Dragutin Esser Dritte Französische Republik Mathis 8 DNF Ventilschaden
Dritte Französische Republik Gustave Caillois Vereinigtes Konigreich Sunbeam 4 DNF Aufhängungsschaden
Dritte Französische Republik Fernand Gabriel Dritte Französische Republik Theo Schneider 3 DNF Vergaserschaden
Deutsches Reich Carl Jörns Deutsches Reich Opel 1 DNF Motorschaden
Dritte Französische Republik Jean Delpierre Deutsches Reich Opel 1 DNF Unfall
Vereinigtes Konigreich Herbert Pope Italien 1861 Itala 1 DNF Motorschaden

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Robert Dick: Mercedes and Auto Racing in the Belle Epoque 1895–1915, MacFarland & Co, Jefferson, 2005, ISBN 0-7864-1889-3 (englisch)
  • Adriano Cimarosti: Autorennen – Die Grossen Preise der Welt, Wagen, Strecken und Piloten von 1894 bis heute, Hallwag AG, Bern, 1986, ISBN 3-444-10326-3
  • Paul Sheldon with Yves de la Gorce & Duncan Rabagliati: A Record of Grand Prix and Voiturette Racing, Volume 1 1900–1925, St. Leonard’s Press, Bradford, 1987, ISBN 0-9512433-0-6 (englisch)
  • Karl Ludvigsen: Classic Grand Prix Cars – The front-engined Formula 1 Era 1906–1960, Sutton Publishing, Stroud, 2000, ISBN 0-7509-2189-7
  • Hodges, David: A–Z of Grand Prix Cars, The Crowood Press, Ramsbury, 2001, ISBN 1-86126-339-2

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise/Anmerkungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Das erste als Grand Prix de l’ACF organisierte Rennen fand 1906 statt. In den 1920er Jahren wurden jedoch rückwirkend auch den „großen“ Stadt-zu-Stadt-Rennen der Frühzeit zwischen 1895 und 1903 dieser Titel verliehen, obwohl das Gründungsdatum des ACF sogar erst nach dem Rennen Paris-Bordeaux-Paris 1895 liegt. Durch diese Zählweise wurde die Veranstaltung von 1906 nachträglich zum offiziell neunten Grand Prix de l’A.C.F ernannt.
  2. Robert Dick: Mercedes and Auto-Racing in the Belle Epoque 1895-1915, McFarland & Co, Jefferson NC, 2005, ISBN 0-7864-1889-3